Alicia II
Möglichkeit geben, wie ich Alicia haben konnte, ohne in eine Situation zu geraten, die ich in körperlicher und gesellschaftlicher Beziehung absurd fand und nicht wünschte. Einen Augenblick lang hätte ich am liebsten alles vernichtet – diesen verächtlichen Mann mir gegenüber, diese Stadt, mich selbst.
Nichts von meinen Gedanken zeigte sich auf meinem Gesicht. Ich nahm die Neuigkeit mit einer Ruhe auf, die offenbar sogar Pierre Madling überraschte.
»Sie möchten nichts dazu bemerken?« fragte er.
»Das möchte ich nicht.«
»Ah, Sie sind noch zu jung. Wenn Sie älter werden, machen auch Sie sich Sorgen über Ihre nächste Lebensspanne, das garantiere ich Ihnen.«
»Sie mögen recht haben, Pierre.«
»Ich habe eine Verabredung und muß bald gehen«, sagte er. »Vielleicht würden Sie mich gern begleiten. Ich lasse mir eine Kollektion von Skulpturen des späten 20. Jahrhunderts zeigen. Recht hübsch, kühne Konstruktionen aus den unwahrscheinlichsten Materialien.«
»Ich möchte lieber nicht mitkommen, aber ich danke Ihnen.«
»Ich verstehe. Für Skulpturen ist es keine besonders bedeutende Periode, sie ermangelt etwas der Inspiration. Trotzdem spricht mich ihre Kraft an, und ich finde darin eine gewisse sentenziöse Schönheit. Dann werden Sie eben heute abend mit mir dinieren. Ich bestehe darauf.«
»Wirklich, Pierre, ich weiß nicht, ob …«
»Sie können gegen meine Überzeugung nicht anstreiten, Voss. Ich werde Ihnen eine ganz besondere Mahlzeit vorsetzen, das verspreche ich. Treffen wir uns hier um, sagen wir, sieben. Ich verlange es. Bis dann.«
Er war gegangen und wackelte die Straße hinunter, bevor ich ihm auf Wiedersehen hatte sagen können. Ich blieb noch eine Weile in dem Cafe und fragte mich, wie ein so offensichtlich blasiertes Individuum mich in eine so mutlose Stimmung hatte bringen können. Glücklicherweise hatte er den Brandy zurückgelassen, und ich fand einiges Vergnügen daran, mir die Hälfte des noch übrigen Vorrats einzuverleiben.
3
Ich stand von meinem Stuhl auf, und mir wurde schwindelig.
Als ich auf die Straße hinaustrat, entschloß ich mich, einen langen Spaziergang zu machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Die Menschenmengen auf den Straßen riefen ein Gefühl der Klaustrophobie in mir hervor. Die Zwischenräume, in denen sie mir weiterzugehen erlaubten, waren – für mich – wie winzige Kämmerchen, deren Proportionen sich dauernd änderten. Mit jedem winzigen Kämmerchen wuchs meine Klaustrophobie. Ich mußte unbedingt auf einen freien Platz gelangen. Meinem Instinkt und vagen Erinnerungen an die Nachbarschaft im allgemeinen folgend, fand ich Seitenstraßen, in denen der Strom der Menschheit sich allmählich zu einem kleinen Bach verdünnte.
Die Gegend, in der ich jetzt weiterging, war ein Geschäftszentrum. Fahrzeuge waren vor Eingängen geparkt, und unglücklich aussehende Männer trugen Kartons durch breite Türen. Weggeworfenes Papier wurde von den verstopften Straßenabzügen nicht mehr abgesaugt. Den Fußgängern merkte man an, daß sie zu einem bestimmten Ziel unterwegs waren. Nirgendwo waren Kinder zu sehen. Viele der Gebäude, die ihre Fassaden der Straße zukehrten, waren jetzt fensterlos. An einigen von ihnen hingen Firmenschilder, die authentische Relikte vergangener Zeiten sein mußten.
»Die nächste Tür, Geraghty«, sagte eine Stimme hinter mir.
Ich hatte nicht einmal gespürt, daß mir jemand so nahe war.
»Was?« Ich blickte über die Schulter. Der Mann, etwas größer als ich, ging ein wenig rechts von mir. Er erwiderte meinen Blick nicht.
»Sie werden durch die nächste Tür
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