Alicia II
freien Raums um sich genoß, während wir übrigen hinten zusammengequetscht wurden. Es war, so vermutete ich, das Privileg der unterdrückten Dienstbotenklasse, selbst wenn sie von einem nicht unterdrückten Schauspieler repräsentiert wurde. Das bemerkte ich gegenüber einer mit uns fahrenden Frau, die mich ansah, als hätte ich nicht nur ihren Hörorganen Gewalt angetan.
Der Unterhaltung, von der Stacy und ich demonstrativ ausgeschlossen wurden, entnahm ich, daß die meisten anderen Gäste in irgendeiner Verbindung mit der Regierung standen.
Es wurde viel davon gesprochen, daß Papierkrieg und Amtsschimmel daran schuld seien, wenn Besichtigungen wie diese immer zu einem anderen Zeitpunkt als ursprünglich vorgesehen stattfänden.
Wir waren vor der Washingtoner Kammer, fast noch ehe wir merkten, daß wir in ihre Nähe gekommen waren. Blinden Alarm der Erwartung gab es, als wir an dem Gebäude vorbeifuhren, in dem die Ausgemusterten ihre Körper ablieferten. Eine kurze, verloren aussehende Reihe wartete vor einem Eingang. Aus einer der Absorber-Sitzungen wußte ich, daß der Eingang für die Ausgemusterten eine Fassade war, die die wirklichen Eingänge in die Erneuerungskammer vor der Öffentlichkeit verbarg. Sobald die Ausgemusterten einmal drinnen waren, wurden sie betäubt und durch unterirdische Gänge zu ihrem wirklichen Bestimmungsort gefahren. Hinter dem Schein-Eingang lagen noch mehrere Kilometer Ödland, die wir in unserer Limousine passieren mußten. Nur Stacy und ich waren darauf vorbereitet, daß der Wagen an einer Stelle hielt, die wie die Mitte vom Nichts wirkte. Aber trotz meines absorbierten Wissens hatte ich erwartet, Anhaltspunkte zu bekommen, wo sich der Ort befand, ehe wir ihn erreichten – Zeichen, Bemerkungen des Chauffeurs, irgendeine Hütte oder Baracke, die auf einen Eingang schließen ließ. Als ein Mitfahrer den Chauffeur fragte, warum er auf einmal anhalte, antwortete der Mann unbewegt, wir sollten warten.
Aus dem Nebel trieb ein Gebäude auf uns zu. Ein großes, kuppelförmiges Gebäude, dem nicht ohne weiteres anzusehen war, auf welche Art es sich vorwärtsbewegte. Ein paar Schritte vor dem Wagen machte es halt. Ein Licht flammte am Armaturenbrett auf. Der Chauffeur, der sich plötzlich sehr behend bewegte, stieg aus, winkte zu dem Gebäude hinüber und öffnete die Türen. Mit autoritärer Handbewegung wies er uns an, uns in das Gebäude zu begeben. Wir gingen durch den unfreundlichen Nebel darauf zu. Die Luft war eisig und klamm, sie schien mich anzugreifen und sich an meine Haut zu hängen. Als wir dem seltsamen Gebilde nahe waren, nahm ich etwas wahr, das ich nur als wissenschaftlichen Geruch beschreiben kann – den Geruch eines Laboratoriums, einen Hauch öliger Materie, Andeutungen von Chemikalien. Meine Hände wanderten nervös über meine Kleidung. Warum war ich nur so zappelig? Ich berührte alle Stellen, wo sich der zerstörerische Mikrostaub verbarg, ich überzeugte mich sinnloserweise, daß alles in Ordnung war. Welch eine Dummheit! schalt ich mich. Jedem argwöhnischen Auge mußte mich diese Bewegung verraten. Ich gab mir alle Mühe, meine Hände ruhig niederhängen zu lassen. Dann fiel mir ein, daß die seltsam steife Haltung meiner Arme ebenfalls Verdacht erregen mußte, falls mich jemand beobachtete. Ich muß natürlich wirken, sagte ich zu mir selbst. Aber zum Teufel, wie kann jemand natürlich wirken, wenn er Mord im Sinn hat? Ich versuchte, mich zu entspannen. Unmöglich.
Die Tür des Gebäudes öffnete sich. Der Lichtstreifen, der von drinnen kam, blendete unsere an den Nebel
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