Alicia II
anderen eine weitere Sammlung von Zahlen und Tatsachen, um ihre Gedanken während der langweiligen Abwärtsfahrt zu beschäftigen. Ich bemerkte, daß die meisten dieser Bürotypen vor allem bei den Zahlen mit dem Kopf nickten, je höher sie waren, um so besser. Cheryl drehte sich wieder zu mir um und sagte: »Für die Abendessenspause habe ich einen privaten Speiseraum für uns reservieren lassen. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.«
»Also, ich finde, wir sollten uns nicht von den anderen trennen …«
»Das wird denen ganz gleichgültig sein, glauben Sie mir. Die haben vollauf zu tun, technische Daten zu vergleichen. Das geht alles in Ordnung.«
»Aber ich glaube nicht …«
»Seien Sie nicht so schüchtern! Es ist ein sympathischer Zug an jemandem, der soviel geleistet hat wie Sie, aber machen Sie sich keine Gedanken. Es ist alles geregelt. Ich bekomme, was ich will.«
Allmählich wurde der Aufzug langsamer. Ich durchforschte mein Gedächtnis nach Absorber-Daten, die es mir ermöglichen würden, den Klauen unserer hübschen Führerin zu entrinnen.
Doch ungeachtet all des Wissens, das mir zur Verfügung stand, fand ich nichts. Dieser Zwischenfall war unvorhergesehen.
Lösen konnte ich das Problem nur mit einer der Improvisationen, von denen Ben immer wieder gesprochen hatte. Verdammt, verdammt, in diesem Augenblick fiel mir nichts ein. Die Aufzugtüren öffneten sich, und wir hatten ein kleines Foyer vor uns, von dem verschiedene Korridore ausgingen.
Etwas von meiner Verwirrung muß sich in meinem Gesicht gezeigt haben oder zumindest für Stacy erkennbar gewesen sein, denn er faßte meinen Arm und drückte ihn aufmunternd, als wir den Aufzug verließen. Es dauerte einen Augenblick, bis ich die Bedeutung dieser Berührung begriff. Wir berührten uns niemals, Stacy und ich, jedenfalls nicht unnötig. Dann war dieser Kontakt vielleicht nötig gewesen.
Was Stacy damit auch hatte ausdrücken wollen, ich faßte es so auf, daß wir uns noch keine Sorgen machen sollten – wir hatten Zeit.
Cheryl schritt mit der überquellenden Selbstsicherheit einer Frau, die weiß, daß ihr Körper einen angenehmen Anblick bietet, bis zum Mittelpunkt der Eingangshalle. Mir gefielen weder ihre Arroganz noch ihr professionelles Gebaren. Von neuem begann sie mit ihrer Darbietung, und mehr denn je störten mich der falsche Ton, die gezwungene Munterkeit, die Glätte, das Kichern, das sie mitklingen ließ, wenn sie einen traditionellen Witz für Eingeweihte zum Besten gab. Immerzu mußte ich an ihre Vergangenheit denken, an die kalten Daten, die mir der Absorber über sie vermittelt hatte, die Leistungen, die sie in ihrer bizarren früheren Lebensspanne vollbracht hatte. Ich verstand jetzt, warum Alicia sich aufgeregt hatte, als ich ihr Einzelheiten aus Cheryls Biographie vortrug. Nach meinem Gespräch mit Alicia hatte ich ein Exemplar von Wer sind die Bewohner von Manx? aufgetrieben, dem von Cheryl als Cheryl Simpson geschriebenen Roman. Ich hatte ihn an einem Abend ausgelesen. Es war ein fesselndes Buch, und wenn ich Zeit gehabt hätte, ein paar Tage lang darüber nachzudenken, wären mir sicher manche Vorzüge daran bewußt geworden. Die merkwürdige Geschichte, bei der die Einzelheiten des Aufbaus nie hinreichend klar wurden, handelte von einer Gruppe Menschen unserer Zeit. Sie sitzen auf einer einsamen Insel fest, die einem reichen Mann gehört, und finden sich plötzlich in einem primitiven, unzivilisierten Zeitalter wieder, in dem das Leben noch rauh und von recht kurzer Dauer war. Der Gegensatz zwischen den Bewohnern, die der primitiven Zeit angehören, und ihren Besuchern aus der Zukunft war gut und
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