Alicia II
hatte beabsichtigt, die Entscheidung so lange wie möglich zu verzögern. Aber dazu gab es keinen Grund. Ich war bereits der Richter, der alle Zeugenaussagen gehört hatte. Darüber hinaus war ich ein korrupter Richter. Ich hatte das Urteil schon gefällt, bevor der Verteidiger erklärt hatte, daß er sein Amt niederlege. Ich sagte Stacy, er solle nicht packen, er werde bleiben. Diese Entscheidung war durch nichts gerechtfertigt.
Ich wollte einfach, daß er blieb. Ich konnte nicht allein sein, und ich konnte mich meinen Kollegen nicht anschließen. Es war vielleicht reine Sturheit, denn ich wußte, sie hätten ihr Verhalten mir gegenüber auch dann nicht geändert, wenn ich in ihrem Sinn entschieden hätte. Ich fühlte mich geschlagen, und das war ich auch. Ich hoffte nur, daß Stacy keine andere Frau mehr überfiel. (Die Tatsache, daß er es nicht tat, attestierte mir mitnichten vorausblickende Weisheit.) Und ich hoffte außerdem, daß ich nie wieder eine solche Entscheidung zu fällen haben würde. Eine törichte Hoffnung, wie die späteren Ereignisse in meinem Leben klarstellen sollten.
5
Mittlerweile hatten wir entdeckt, daß der vielfarbige Nebel, den ich von der Fähre aus so schön gefunden hatte, sowohl giftig sein als auch Bewußtsein haben mochte. Es gab eine Anzahl von Nebelflecken rings um den Planeten, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit über große Gebiete bewegen konnten. Längst schon war eine Nebelwache eingerichtet worden, die darauf zu achten hatte, ob ein Nebel sich unserer Basis in der Blase näherte, und jedes Mal, wenn es danach aussah, wurden Vorbereitungen für den Notfall getroffen. Die Techniker ließen von Sonden atmosphärische Messungen durchführen, um festzustellen, ob wir Zusatzgeräte für unsere Anpassungssysteme brauchten, wenn wir uns in einen Nebel hineinwagten oder wenn ein Nebel beschloß, uns zu besuchen. Die Daten waren nicht schlüssig, es sprach aber auch nichts dagegen, daß die Luft innerhalb eines Nebels für uns atembar war. Nun blieb nichts anderes mehr übrig, als einen Menschen hineinzuschicken. Ich meldete mich freiwillig, aber unser Kommandeur entschied, noch sei der Gefährlichkeitsgrad nicht hoch genug für mich.
Der erste Mann, der sich in den Nebel begab, war nur etwa eine Minute drin. Er kam heraus und schrie, seine Lungen ständen in Flammen. Er starb vor unsern Augen. Mit jedem Atemzug strömte ein bißchen mehr Leben aus ihm heraus, bis er schließlich umfiel. Die übrigen Mitglieder des Teams zogen sich schnell zurück . In der Blase wurden die Sensoren und Anpassungssysteme noch einmal getestet. Nichts in den Daten wies auf ein atmosphärisches Element hin, das wir nicht bereits kannten und gegen das wir durch unsere Anpassungssysteme nicht geschützt waren. Ein zweites Erkundungsteam, das ich aus sicherer Höhe beobachtete – ich flog einen der Vögel –, machte viel zu weit von dem Nebel entfernt halt. Mir kam es vor, als habe jemand einen Objektträger unter ein Mikroskop geschoben und sich dann auf die andere Seite des Zimmers begeben, um es durch die Optik zu betrachten. Ich beschwerte mich über ihre Zurückhaltung, doch mir wurde gesagt, sie seien noch nicht bereit, unangemessene Risiken einzugehen.
Für jede Mission, die ein unangemessenes Risiko in sich berge, sparten sie mich auf. Ich hätte besonderes Geschick darin, so erklärte mir einer von ihnen, mein Leben aufs Spiel zu setzen und mit heiler Haut davonzukommen.
Die Aufnahmegeräte des zweiten Teams meldeten nichts, was den uns bereits bekannten Tatsachen widersprach. Man entschied, zur Basis zurückzukehren. Wenn sie das sofort getan
Weitere Kostenlose Bücher