Alicia II
die darauf hinzielten, den Menschen zu befreien und sich auf ein höheres Niveau der Existenz zu schwingen? Ich will es dir sagen. Heute gibt es auf den meisten Gebieten der Wissenschaft und Medizin nur noch wenige oder gar keine Fortschritte mehr. Der Großteil der Arbeit in der regulären Gesellschaft entfällt auf die Verfeinerung des Erneuerungsprozesses und die Beseitigung von Sabotageschäden. Mit dem ganzen Potential für moralischen und idealistischen Fortschritt sind die Leute überall feste dabei, ihre Fehler zu wiederholen und eine neue spannende Art zu erfinden, sich das Leben zu versauen. Jesus, ist das ein guter Whisky! Das erkenne ich daran, daß er mir krankhafte Gedanken eingibt. Trinkt aus.«
Da ich das Thema wechseln wollte, fragte ich Ben, warum er sich Medizinischer Berater nenne. Er erklärte mir, als er ins Leben zurückgekehrt sei, habe es den Beruf des selbständig praktizierenden Arztes nicht mehr gegeben. Er wollte nicht in ein Hospital oder eine Klinik eintreten, so wählte er statt dessen die medizinische Beratung. Er hatte soviel Fachwissen auf so vielen medizinischen Gebieten, daß er imstande war, Probleme zu lösen und neue Anregungen zu geben.
Schließlich schlief Stacy ein. Vielleicht kam es von dem Whisky, vielleicht von der Langeweile, die ihn bei unserer Unterhaltung befiel. Scheinbar hatte Alkohol keine Wirkung auf Stacy – aber da ich seine Dämonen nicht kannte, war ich mir nie ganz sicher.
»Eigentlich ist es mehr eine Position als ein Beruf. Ich bin in Bereitschaft. Die meiste Zeit ist frei, und ich verbringe sie entweder mit Absorbieren, da ich Geschmack an Geheimwissen gefunden habe, oder ich mache Pläne für Krisen, von denen ich überzeugt bin, daß sie sich später entwickeln werden. Für das Saufen mit alten Freunden habe ich in meinem Terminkalender nur wenig Raum gelassen. Und solange ich hier drinnen bin, hält die ehrenwerte Miss Albright die wenigen Wölfe fern, die umherschleichen. Sie ist ein gutes Mädchen, Miss Albright. Wenn mir der Frieden im Büro nicht über alles ginge, würde ich sie ab und zu bespringen. Aber ist das einmal geschehen, dann zweifele ich daran – ich weiß nicht, woran ich zweifele –, aber jedenfalls ist sie ein gutes Mädchen. Du solltest sie bespringen, das wäre für dich das Beste, was …«
»Mach keine Witze, Ben.«
»Was? Oh. Hatte ich vergessen. Du bespringst nicht, du kannst nicht bespringen. Es tut mir wirklich leid.«
Ich blickte nervös zu Stacy hinüber, ob er immer noch schlief. Er wußte nichts über meinen körperlichen Mangel, wenigstens glaubte ich das. Ben streckte die Hand aus und berührte meinen Arm.
»Es tut mir wirklich leid, Kumpel. Das macht der Whisky.«
Ich winkte ab. »Da du gerade vom Trinken redest – ich entdecke ein nicht überraschendes Bedürfnis, dein Badezimmer zu benutzen, wenn du mir …«
»Nur einen Moment.«
Ben ging an seinen Schreibtisch und drückte einen Knopf.
Die Umrisse einer Tür erschienen in der hinteren Wand. Er wies darauf.
»Dort.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Ich bin froh, daß an dir wenigstens in dieser Beziehung nicht herumgepfuscht worden ist. Weil sie schon einmal in der Nachbarschaft waren, meine ich.«
»Toller Witz.«
»Nur zur Hälfte. Die Sabotage-Akte sind seit der Zeit, als du ihnen zum Opfer fielst, sehr viel raffinierter geworden.«
Als ich aus dem Badezimmer zurückkam, war Stacy wach, und June Albright stand an der Bürotür. Ben verkündete, er wolle uns alle zum Essen in seinen Club ausführen.
»Es ist ein Club der zum zweiten Mal Erneuerten«, sagte er.
»In jeder größeren Stadt gibt es Mehrfach-Erneuerten-Clubs. Die Mitglieder sind in ihrer dritten, vierten oder sogar
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