Alien Earth - Phase 2
es hier finden können, stellen wir uns ihnen nicht in den Weg.«
»Ich verstehe.« Pasong nickte. »Ein ehrenwertes Prinzip. Es erstaunt mich, dass es funktioniert.«
Die Wahrheit war: Es funktionierte nicht. Schon Wochen nach dem Massenseelentransfer, nach Jans Tod, hatte François keine andere Wahl gehabt, als die Stadt zweizuteilen: in eine privilegierte innere Zone und die immer schneller wachsende, sich selbst überlassene äußere Zone. Die Absperrungen waren dezent, aber wer genau hinsah, konnte den Zaun erkennen, der die Stadt teilte. Doch das musste der Alien nicht erfahren.
»Nicht erstaunlicher, als dass eines Tages ein fremdes Raumschiff im Orbit über der Erde erscheint. Jan und ich, wir haben immer an das Gute im Menschen geglaubt. Der Mensch ist vernünftig, er ist gut, er wird immer das Gute suchen - wenn man ihm nur die Gelegenheit gibt. Die Company ist der Beweis. Wir …« Er brach ab, als er an Jan dachte. Ja, der Mensch war gut. Wenn man ihm die Gelegenheit dazu gab. Der Mensch war gut. An sich. Einzelne Menschen ausgeschlossen. Wie der, der dir ein Messer in die Brust gestoßen hat, Jan. Wieso hast du nicht auf mich gehört? Eine Panzerweste hätte dich …
»Ja?«, fragte Pasong, als François nicht weitersprach.
»Wir … wir glauben nicht, dass es einfach ist, den Menschen zu vertrauen. Wir glauben nur, dass es der einzig mögliche Weg ist. Beschreitet man ihn, ist nichts unmöglich.«
Der Alien nickte. »Den Mutigen steht das Universum offen. Sie kennen keine Grenzen, keine Verbote. Wenn sie zueinanderstehen, erfahren sie, was Leben wirklich bedeutet.« Pasong sprach langsam und ehrfürchtig, als sage er ein Glaubensbekenntnis auf. Seine Worte hallten in der Halle nach. Einen Augenblick lang schwieg er, als mache es ihn verlegen, sich
dem Menschen, der ihm gegenüberstand, zu offenbaren. Schließlich, seine Worte waren verhallt, sah er François in die Augen. »Verstehen Sie?«
Ja, François verstand. Und auch Jan hätte verstanden. Der Alien, der ihm so fremd, so oberflächlich erschienen war, hatte in wenigen Worten zusammengefasst, was ihn und Jan ausgemacht hatte.
Als François den Blick des Aliens erwiderte, vergaß er den kleinen schwarzen Mann, der wie ein Diener aussah. Der Körper stellte nur eine Hülle ohne Bedeutung dar. Er vergaß Pasongs erste unpassende Worte. Sie waren lediglich ein Produkt seiner anfänglichen Verlegenheit gewesen.
François spürte ein Band zwischen ihm und dem Alien, stärker, als er es sich jemals hätte erträumen können. Dieses Wesen, das aus einer anderen Welt gekommen war - es war ein Bruder im Geiste.
»Wir gehören zusammen«, brach Pasong die Stille. »Und das ist der Grund, aus dem ich hierhergekommen bin. Wir müssen zusammenstehen - oder wir alle werden innerhalb von sechs eurer Monate tot sein.«
Vorlage 89/2066
Ausgangspunkt: Seit den Massen-Seelentransfers des 26. September 2065 ist die Zahl der nachgewiesenen Alien-Manifestationen auf null gesunken. Diese neue Lage mündet, je nach Beschluss des Kabinetts, in folgende Szenarien:
Szenario 1: »Weiter so«
Vorteile: kein Bedarf an Erklärungen an die Bevölkerung; Überwachungs- und Disziplinierungsapparate bleiben intakt; Arbeitsleistung von Internierten bleibt der Gesellschaft erhalten; maximale Sicherheit gegen Alien-Bedrohungen (die gegenwärtige Lage kann sich jederzeit wieder wenden).
Nachteile: weitere Radikalisierung von Alienisten; Bindung von Ressourcen, die zur Verwahrung inhaftierter Aliens benötigt werden.
Szenario 2: »Vorsichtige Reform«
Vorteile: Umleitung von Ressourcen von Alien-Detektion in Alien-Verwahrung; möglicherweise Aussöhnung mit Teilen der Alienisten-Bewegung; Wahrnehmung der Bevölkerung von Fortschritten in der Alien-Frage, in Folge gesteigertes Vertrauen in die Regierung; Flexibilität, da auf alle Möglichkeiten vorbereitet.
Nachteile: möglicherweise Missbrauch der neuen Freiheiten; Legitimationsprobleme (wieso noch Internierungen, wenn es keine Manifestationen mehr gibt?); Status der Internierten ungeklärt, Massenentlassungen könnten Unruhen heraufbeschwören.
Szenario 3: »Bruch«
Vorteile: optimale Anpassung der Ressourcen an neue Bedrohungslage; möglicherweise Aufbruchstimmung in der Bevölkerung; Entlastung der Wirtschaft vom Löwenanteil der Überwachungs- und Sicherheitskosten; Wiederherstellung der Freiheit für Millionen Internierte.
Nachteile: ungenügende Bereitschaft bei Veränderung der
Weitere Kostenlose Bücher