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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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müssen, bis sie selbst darauf kam. Und dennoch, dachte er, er hatte vermutlich genug von ihrem Haar, um einen weiteren Talisman für sich selbst daraus herzustellen – diesmal keinen Glücksbringer, sondern einen anderen –, und eine solche Versicherung konnte ja nie schaden.

 
    – 36 –
     

    E s war himmlisch heiß, und sie saß im gesprenkelten Schatten der Birken hinter dem Haus und arbeitete an ihrem Wanderstab. Es schien so, als würde sie mit dem verflixten Ding niemals fertig werden. Hinter sich hörte sie das leise Rascheln von Kiefernnadeln. Der Geruch von Schafdung trieb mit der Nachmittagsbrise zu ihr heran und vermischte sich mit dem Blütenduft der Wilden Möhren.
    »Hallo, Papa«, sagte Alissa gedehnt und hörte ihn stöhnen.
    »Woher wusstest du, dass ich da bin?«, fragte er und setzte sich neben sie auf die Bank vor dem Brunnen.
    Sie blickte auf und rümpfte die Nase. »Du warst bei den Schafen.«
    »Asche.« Er nahm ihr den Stab ab und musterte die geschnitzten Efeuranken. »Ich konnte dich nicht mehr überrumpeln, seit du fünf warst.«
    Alissa zog die Augenbrauen hoch. »Vier. Sich im Baum vor meinem Fenster zu verstecken und am Allerheiligen-Abend herumzustöhnen zählt nicht.«
    Er räusperte sich. »Also schön, vier.« Stumm gab er ihr den Stab zurück. Er hob ein Steinchen auf und warf es in den Brunnen. Sie hatten doch nie eine Mauer darum gebaut, und das vollkommene, zylindrische Loch bettelte geradezu darum, dass jemand hineinfiel. »Weißt du …« Er zögerte, und das kalte Platschen des Steinchens, das aufs Wasser traf, drang zu ihnen empor. »Du könntest deine Zeit wirklich besser nutzen.«
    Alissa errötete und bearbeitete das Ende ihres Stabes gründlich mit einem ölgetränkten Lappen. »Ich suche ja«, brummte sie. »Jeden Tag.«
    »In den Kellern herumzukramen ist nicht gleichbedeutend mit Suchen.«
    Sie schlug die Augen nieder. »Ich kann es nicht mehr gebrauchen.«
    »Es gehört immer noch dir«, entgegnete er sanft.
    Aus dem Haus war ein bestürzter Ausruf ihrer Mutter zu hören. Offenbar würde es heute Abend wieder Kohle anstelle von Brot zu essen geben. Er stand auf, und sie sah ihn erschrocken an. »Warte, Papa.«
    »Ich muss gehen, Lissy«, sagte er, den Blick beinahe hungrig auf das Haus gerichtet.
    »Aber wo ist es!«
    »Du weißt genau, wo es ist«, rief er über die Schulter zurück.
    Der Stab fiel klappernd zu Boden, und sie rannte ihm nach. »Papa!« Sie platzte in die leere Küche und sah gerade noch, wie die Tür zu ihrem Zimmer zugeschlagen wurde. »Papa, geh nicht!« Sie riss ihre Tür auf und blieb stehen wie erstarrt.
    Jemand kletterte gerade durch ihr Fenster hinaus – und es war nicht ihr Papa.
    »Wer bist du?«, stieß Alissa hervor, und das Mädchen drehte sich um, so verlegen und unbeholfen, wie nur eine Fünfzehnjährige aussehen kann.
    Die Fremde zog das Bein vom Fensterbrett und blieb nervös stehen, den Blick auf den Boden geheftet, die Hände hinter dem Rücken verschlungen. Sie trug Kleidung in Schattierungen von Violett und Dunkelrot, die eng anliegende Weste reichte ihr fast bis zu den Knien und wirkte wie das weibliche Gegenstück zu Bailics neuen Gewändern. Die Enden der gelben Schärpe um ihre Taille streiften den Fußboden. »Ich mag deinen Vater«, sagte sie. »An meinen kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »Aber wer bist du?«, wiederholte Alissa.
    »Silla. Entschuldige bitte, war das dein Traum?« Sie hob den Blick, und Alissa erschrak über ihre unnatürlich goldfarbenen Augen. »Manchmal weiß ich nicht mehr, wer der Träumer ist und wer der Geträumte.«
    »Traum?«, fragte Alissa.
     
    Nach Luft schnappend, fuhr Alissa aus dem Schlaf.
    Das weiche graue Licht des scheidenden Wintertages umgab sie, und sie lag kalt und einsam in vergessenen Vorräten des Kurzwarenlagers. »Oh, bei den Wölfen«, fluchte sie und wühlte sich aus dem Leinen, in dem sie geruht hatte. Sie war wieder einmal eingeschlafen, doch zumindest hatte Strell sie diesmal nicht erwischt. Alissas Blick huschte zur Decke. Sie würde sich mit Bailics Abendtablett verspäten. Es war ihr gleich. Bailic jagte ihr keine Angst mehr ein. Er beachtete sie kaum noch, da er nun überzeugt war, dass Strell der latente Bewahrer sein musste. Das war die einzige gute Folge ihres leidvollen Abends vor dem Kamin.
    »Kralle?«, flüsterte sie, um die Stille möglichst wenig zu stören, doch sie war allein. Sie atmete tief durch, ordnete ihre Kleider und schleppte sich langsam

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