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Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Alissa 1 - Die erste Wahrheit

Titel: Alissa 1 - Die erste Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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essen, ob er hungrig war oder nicht. Bald erhellte sein Feuer die Klippe, und im flackernden Licht zog er das kupferfarbene Band von seiner Karte und schüttelte das weiche Leder aus. Während er die Karte betrachtete, um sich die Möglichkeiten anzusehen, aß er Matalinas Apfel.
    Unwillkürlich suchte sein Blick nach der Schlucht, die er einst sein Zuhause genannt hatte. Glücklicherweise reichte die Karte nicht so weit in die Ebene, und er schob seinen Kummer beiseite. Als Nächstes suchte er nach dem Kreuz, das Remas Bauernhof markierte. Strell zog die Karte näher heran und kniff im schwachen Feuerschein die Augen halb zu. Neben dem X stand ein gewundenes kleines Zeichen, das er nicht kannte.
    Lustlos betrachtete Strell den Rest der Karte und stellte fest, dass er die verwendete Schrift, so es denn eine war, nicht lesen konnte. Die verschlungenen Formen sahen nicht einmal aus wie richtige Wörter, doch das mussten sie wohl sein, da sie sich wie Bezeichnungen neben Seen und Gipfeln fanden. Er beugte sich so dicht vor, dass das Feuer ihm die Finger wärmte, studierte die ungewöhnlichen Zeichen und fragte sich, was für eine Sprache das sein mochte.
    Das gesprochene Wort war in allen Gebieten, die Strell schon bereist hatte, sehr ähnlich. Natürlich gab es zahlreiche Akzente, und manche waren so ausgeprägt, dass sie beinahe wie eine andere Sprache klangen, doch man kam immer irgendwie zurecht. Das geschriebene Wort jedoch war den wohlhabenden Familien vorbehalten, und sie achteten stolz darauf, es über die Jahrhunderte hinweg rein und unverändert zu erhalten. Es war überall gleich, egal wie weit man reiste. Das schriftlose Volk, im Hochland wie im Tiefland, behalf sich mit Bildchen.
    Strell konnte lesen; seine ganze Familie beherrschte die Schriftsprache. Bei seinen Schwestern wurde das zur Aussteuer gezählt – der Gedanke an sie weckte seine Trauer von neuem. Er holte zittrig Atem, hielt die Luft an, ignorierte die Enge in seiner Brust und konzentrierte sich auf den Käfer, der am Rand seiner Karte entlangspazierte. Langsam atmete er aus und erschrak darüber, wie sein Atem bebte. Würde der Schmerz je nachlassen, fragte er sich, oder musste er einfach lernen, damit zu leben?
    Er rollte seine Karte zusammen, verschnürte sie mit dem kupferroten Band und steckte sie weg. Der Pfad, der auf der Ostseite um den See dort unten herumführte, sah nach einem guten Anfang aus. Er würde ihn auf halbem Weg durch die Berge verlassen und sich querfeldein durchschlagen müssen, um die Küste vor dem Schneefall zu erreichen, doch es war zu schaffen.
    Erfüllt von einer neuen, wenn auch etwas pessimistischen Zielstrebigkeit ruhte Strell sich an seinem Feuer aus. Er hatte es vernachlässigt, und es war beinahe wieder erloschen. Der Mond würde erst viel später aufgehen, deshalb glitzerten die Sterne ungewöhnlich hell und zahlreich; noch wurden sie nicht vom nächtlichen Nebel der Berge verhüllt. Er starrte in die Schwärze und lenkte sich vorübergehend mit der Suche nach dem Navigator ab. Er war einer der hellsten Sterne, das Zentrum des Nachthimmels, der Leitstern sozusagen. Leicht zu finden. Strell kniff angestrengt die Augen zusammen und versuchte, alle acht Sterne zu sehen, die sich darum drängten und passenderweise die Hunde des Navigators genannt wurden. Manche Leute nannten sie auch Wölfe, andere Welpen, doch die meisten sagten Hunde. Je dunkler und klarer der Himmel, desto mehr von ihnen konnte man sehen.
    Es gab Kinderreime über sie: »Das Wetter bleibt schön/sind sechs Hunde zu sehn.« Ein anderer prahlte: »Wirst dein Herz an ein Mädchen verlieren/wenn am Himmel acht Hunde spielen.« Wie viele Hunde, so fragte er sich, jagten heute am nächtlichen Himmel? Und würden sie seine Brüder und Schwestern im Sand finden, um sie nach Hause zu geleiten?
    Die ersten sechs Sterne waren klar zu erkennen, sie drängten sich zu Füßen ihres Herrn. Die beiden letzten waren viel schwerer zu finden, da sie sich ein wenig abseits von ihrem Rudel hielten und so dicht beieinander liefen, dass sie oft wie ein einziger Stern erschienen. Strell ließ sich auf seine Schlafmatte sinken, blickte in den Himmel und begann zu zählen. »Acht«, murmelte er schläfrig, und dann später: »Nein, es sind nur sieben … glaube ich.« Damit rollte er sich auf die Seite, die gewaltige Strecke, die er zurückgelegt hatte, holte ihn ein, und er fiel in tiefen, erschöpften Schlaf.

 
    – 7 –
     

    H allo?«, rief Strell. Er erhielt

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