Alissa 2 - Die geheime Wahrheit
Bänke gesprungen und hatte sich ebenfalls verwandelt.
»Rasch! Dort hinüber, Pfeifer«, warnte Lodesh, doch es war bereits zu spät. Alissas äußere Form waberte, wuchs und nahm Substanz an. Lodesh stürzte über das Feuer hinweg, packte Strell und riss ihn grob in Sicherheit. Die beiden Männer starrten ehrfurchtsvoll zu der schimmernden Vision kraftvoller Anmut vor ihnen auf.
Die Bestie, denn dies war keineswegs Alissa, wandte den Kopf, um sie anzusehen. Lodesh erkannte keinerlei Bewusstheit in ihren grauen Augen, und er spürte Strells Schaudern – zweifellos hatte dieser es auch bemerkt. Obgleich Lodesh wusste, dass das unmöglich war, hatte er gehofft, dass Talo-Toecan sich irren könnte, dass Alissa als sie selbst erwachen würde, doch er fand keinen Anflug von Wiedererkennen in ihren Augen. Das waren Alissas Augen, doch sie war verloren, überwältigt von der Bestie, die sie nun war. Anmutig hob sie den Kopf und blickte zum Himmel auf.
Talo-Toecan gab ein tiefes, warnendes Knurren von sich. Die Vibrationen, die sich durch die frische, klare Luft ausbreiteten, waren deutlich zu spüren. Sie ignorierte den größeren Raku und streckte sich wie eine Katze, wobei ihre Muskeln sich geschmeidig unter der schimmernden goldenen Haut verschoben. Sie entfaltete ihre Flügel und schüttelte sie leicht, als wolle sie die Luft prüfen.
»Bei den Hunden«, flüsterte Lodesh. »Sie ist beeindruckend.«
Sie war deutlich kleiner als Talo-Toecan, etwa um ein Drittel, aber nicht weniger Furcht einflößend – so groß wie eine kleine Hütte. Während Talo-Toecans Haut faltig und zäh war, war ihre sehr glatt. Ihre Gestalt war noch nicht ganz die eines ausgewachsenen Rakus; sie war schmal und geschmeidig. Es war offensichtlich, über welche Kraft und Anmut sie verfügte. Talo-Toecan wirkte neben ihr geradezu schwerfällig und unbeholfen.
Lodesh schüttelte sein Erstaunen ab und straffte sich, um langsam nach links zu rücken. Sie mussten sie umzingeln, sonst würde sie einfach davonfliegen. Mit etwas Glück würden sie sie fangen, solange sie noch am Boden war.
Bei seiner ersten leichten Bewegung fuhr ihr Kopf herum, und sie fixierte ihn mit wildem Blick. Lodesh erstarrte, und Talo-Toecans Grollen wurde zu einem aggressiven Fauchen. Mit gesenktem Kopf drohte er ihr Gewalt an. Die Drohung war so unmissverständlich, dass selbst die Bestie sie begriff. Zwischen den beiden Rakus gefangen, duckten sich die Männer und versuchten, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ihre Auseinandersetzung hatte sie um die rechtzeitige Warnung vor den kostbaren Augenblicken gebracht, ehe sie sich verwandelte.
Der kleinere Raku blickte sehnsüchtig in den Himmel auf und brüllte frustriert. Talo-Toecan antwortete und übertönte ihre Stimme. Langsam zog sie die Flügel an sich, als erkenne sie seine Größe an, und duckte sich unterwürfig.
Talo-Toecan schien sich zu entspannen, und Lodesh atmete auf. Sie war zwischen ihnen und der Festungsmauer gefangen. Vielleicht würde das ausreichen. Erleichtert folgte Lodesh Strells Blick zur Spitze ihres langen Schwanzes. Die Schwanzspitze zuckte einmal, zweimal, dreimal.
»Nein!«, schrie Strell. »Alissa, nein!«, doch es war zu spät. Ihre geschickt vorgespielte Demut verpuffte, und mit einem Triumphschrei schwang sie sich in die Luft; ihre Augen wirkten wild vor Sehnsucht, den schweren Fesseln der Erde zu entkommen. Mit einem Windstoß, der Lodesh fast hintenüberwarf, verschwand sie gen Himmel. Talo-Toecan folgte einen Herzschlag hinter ihr. Ihre Täuschung hatte gerade lange genug gewirkt. Jetzt würde sie fliegen.
Strell, eine Mischung aus Angst und Staunen auf dem Gesicht, beobachtete, wie die beiden goldenen Gestalten aufstiegen und kleiner wurden. Nur zu bald verloren sie sich im strahlend blauen Himmel, und er sackte zusammen und wandte sich Lodesh zu. »Sie ist weg«, flüsterte er kläglich.
Lodeshs Augen waren besser als die des Pfeifers, und er nickte. »Sie ist prachtvoll, einfach prachtvoll«, hauchte er voller Staunen. »Ich hatte es beinahe schon vergessen.«
»Sie ist weg!«, brüllte Strell, packte Lodesh grob an der Schulter und drehte ihn zu sich herum.
Aus seinen Gedanken gerissen, räusperte sich Lodesh und schlug die Augen nieder. »Ja, aber Talo-Toecan wird sie zurückbringen. Er ist eine schlaue Bestie und wird sich nicht so einfach von ihr überlisten lassen.« Mit einem letzten Blick in den leeren Himmel wandte Lodesh sich dem Pfad zur Küche zu.
»Was …«, rief Strell
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