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Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Alissa 2 - Die geheime Wahrheit

Titel: Alissa 2 - Die geheime Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Cook
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Stadt noch atmete von den zahllosen Leben, die sie beherbergte.
    Bailic schrie Strell an, und sie blickte auf und sah, wie Bailic ihn zwang, sich so hinzustellen, dass sie nicht beobachten konnte, was die beiden taten. Sie fand sich damit ab, einfach zu warten, und lehnte den Kopf an den Baumstamm. »Ich wette, hier war es im Frühling einmal besonders schön«, sagte sie leise, um die Stille zu brechen. Sie schob mit der Stiefelkante den Schnee beiseite und fand darunter Moos, schwarz vor Kälte. »Das Moos war weich und tief«, sagte sie, »und weiße Blüten zierten die Zweige.« Sie lächelte über diese angenehme Ablenkung, schloss die Augen und versuchte, die Vergangenheit der Stadt in ihrer Vorstellung so lebendig und wirklich werden zu lassen wie die glatte Rinde unter ihrem Kopf. Es kam ihr so vor, als hätte dieses unruhige Gefühl allein auf ihre Worte hin nachgelassen. Als würde ich im Dunkeln vor mich hin pfeifen, dachte sie.
    »Ihr berauschender Duft treibt über die Wiese bis zur Stadt und streicht wie eine kühle Brise durch die Straßen«, sagte sie und machte es sich noch gemütlicher. »Die Leute öffnen weit ihre Fensterläden und sind froh zu wissen, dass der Winter sich endlich zur Ruhe begeben hat. Kinder laufen auf die Wiese, um unter den Bäumen zu spielen. Zarte, durchscheinende neue Blätter schmücken jeden einzelnen Zweig und spenden tanzenden Schatten, in dem es weder zu hell noch zu düster ist. Ein kühler Hauch. Ein stiller Augenblick des Ruhens und Verweilens. Als die Sonne am klaren Himmel höher steigt, gesellen sich zu den Kindern die Alten, die viel langsamer gehen und aufregende, wahre Geschichten aus einer Vergangenheit erzählen, die so weit zurückliegt, dass sie beinahe wie eine Fabel wirkt.« Sie lächelte. Fast glaubte sie, das Murmeln einer alten Frau zu hören, und das begierige Flüstern aufmerksam lauschender Kinder.
    »Später …« Sie seufzte, als ein warmer Hauch sie zu umschließen schien und ihre Fingerspitzen kribbeln ließ. »Als die Sonne untergeht, werden die Kinder liebevoll in den Schlaf gewiegt. Das Moos und die Tücher ihrer Mütter dienen ihnen als Bett, die Wärme der Erde als Feuer. Die Geschichten wenden sich verlorener Liebe und tragisch gebrochenen Versprechen zu, bis der Mond aufgeht. Schatten fließen und fallen, und die Blüten regnen herab, um die kleinen Schläfer in eine weiße Decke zu hüllen.
    Überschwängliche Tänzer feiern den Beginn eines neuen Jahres«, murmelte Alissa schläfrig, völlig versunken in ihren Tagtraum. »Die Flöten und Trommeln weben eine stets sich wandelnde, niemals endende Melodie. Die fallenden Blüten werden zu Geschenken zwischen jenen, die sich noch nicht versprochen sind. Mit ihrer Hilfe wird hoffnungsvoll die Frage nach der Möglichkeit einer zukünftigen Hochzeit gestellt.«
    In Gedanken sah Alissa ein Gesicht, an das sie sich nicht erinnerte. Es strahlte unbekümmerte Anmut und eine unmissverständliche Sehnsucht aus. Der Mann hielt eine einzelne Blüte in Händen, und Begehren sprach aus seinen grünen Augen. Alissa riss überrascht die Augen auf. Weit über ihr schwebte ein einsamer weißer Schatten herab. Sie saß da wie erstarrt und sah zu, wie er erst hierhin, dann dorthin trieb. Sie streckte eine zitternde Hand aus, und eine Blüte landete federleicht darauf. Ein verstörend vertrauter Duft lag in der Luft: das bittersüße Parfüm von hart erworbener Weisheit, von Opferbereitschaft und Liebe.
    Der Schmerz eines unerklärlichen Verlustes brach über ihr zusammen, und sie schloss die Augen, damit ihre Tränen nicht überflossen. Sie hielt den Atem an, versuchte sich zu erinnern, fand aber nur das vage Gefühl, dass diese Erinnerung noch nicht gelebt worden war. Niedergedrückt von einer unbekannten Trauer öffnete sie die Augen, um wieder in die Wirklichkeit zurückzufinden. Die Sonne traf auf die Eiszapfen an den Bäumen, und Tränen verzerrten glitzernd ihre Sicht, so dass es schien, als stünden die Zweige in üppiger Blüte.
    Ein Kribbeln ging von ihren Handflächen aus, scheinbar von der Blüte. Während sie noch schockiert und unentschlossen dasaß, breitete sich das Kribbeln als Wärme bis in ihre Arme aus, erfüllte schließlich ihren ganzen Körper, so dass ihr warm war wie im Sommer. Sie konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, so plötzlich kam die Erlösung von der bitteren Kälte.
    Ein Kind lachte, und sie rappelte sich verängstigt auf, um erst dann zu merken, dass nur ein Klumpen

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