Alissa 3 - Die verlorene Wahrheit
wir dir folgen können«, murmelte er und glitt beneidenswert schnell in eine leichte Trance.
Connen-Neute und Alissa wechselten einen aufgeregten Blick, dann lehnte auch er sich in die Kissen zurück und schien einzuschlafen. Sein längliches, ernstes Gesicht wurde ruhig und still. Alissa dachte mit aller Kraft an Kralle, ließ ihre Pfade aufleuchten und glitt ganz leicht in die Erinnerung, die sie sich ausgesucht hatte, weil sie am klarsten war: den Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten.
– 22 –
E s war heiß. Zu heiß für den Frühsommer, und Alissa fand es herrlich. Sie hockte auf den Knien im frisch gepflügten Matsch und atmete den heimeligen Duft warmer, feuchter Erde ein, der bereits jetzt verflog, da es immer wärmer wurde. Sie ließ sich auf die Fersen zurücksinken, fuhr sich mit der Hand unter dem Hut übers Haar und blickte die lange Furche entlang.
»Rote Beete«, brummte sie. »Ich hasse Rote Beete.« Aber immerhin ließ sie sich gut lagern und an die Flachländer verkaufen. Die Tiefländer liebten Rote Beete. Trotzdem, es dauerte ewig, sechzehn Reihen zu jäten. Es hatte zwei Tage lang geregnet, und das Gras war ihr bis zu den Knien geschossen. Alissa kniff die Augen gegen die Sonne zusammen und stand auf. Sie blickte zum Haus hinüber und überlegte, ob es die Mühe wert war, die H acke aus dem Schuppen zu holen, wie ihre Mutter vorhin zum Fenster hinausgerufen hatte. Seufzend wischte sie sich die klebrige Erde von den Knien und ging zu dem niedrigen Gebäude neben dem Schafpferch.
Die Tür der Scheune quietschte und stöhnte, als sie daran zog, und gab schließlich so weit nach, dass sie hineinschlüpfen konnte. Drinnen war es kühler, und sie erschauerte. Ein leises Rascheln, das Mäuse verriet, trieb flüsternd durch den Schuppen. Mutter konnte anscheinend keine Katze halten. Sie versuchte es jedes Frühjahr, und jedes Frühjahr tauchten die Kätzchen wieder an der Haustür auf, aus der sie sie am Morgen geholt hatten, und zwar ehe die Sonne unterging. Also wurden Fallen für die Mäuse aufgestellt, aber wer konnte sagen, wie viel Korn sie jedes Jahr verloren? Die verrostete Hacke lag da, wo Alissa sie letztes Mal hingeräumt hatte. Sie schwor sich, das verflixte Ding diesmal einzuölen, schnappte es sich und ging damit zurück zum Feld.
Sie schwang die Hacke in kurzen Bögen, um das U nkraut von den blutroten Spitzen der Beete zu entfernen, und zog eine Spur sterbenden Grünzeugs hinter sich her. Die Nachmittagssonne brannte herab und half ebenso wie die harte Arbeit, die Kälte der Scheune zu vertreiben. Ein leises Flattern über ihrem Kopf erregte ihre Aufmerksamkeit, und Alissa hielt inne, um einen kleinen Falken zu beobachten, der über ihr in der Luft schwebte und auf die Insekten wartete, die sie hier unten aufscheuchte. Als der Vogel bemerkte, dass sie ihn beobachtete, schoss er davon. Alissa lächelte und machte sich wieder an die Arbeit. Er würde zurückkehren. Auf ihrem Hof wohnten Falken, solange sie zurückdenken konnte.
Eingelullt von ihrer eintönigen Arbeit, hätte sie die Rückkehr des kleinen Falken beinahe verpasst. Ein großer Grashüpfer sprang mit einem erstaunlich lauten Summen in die Luft. Sein Flug währte jedoch nur kurz, denn der Falke stieß herab und erwischte ihn mitten im Sprung. Alissa freute sich, dass sie dem Jäger so leichte Beute zum Mittagessen beschert hatte, und arbeitete weiter. Sie schob ihre Pause auf in der Hoffnung, der Falke werde zurückkommen.
Lange war sie allein mit den Geräuschen ihrer Arbeit. Dann, so leise, dass sie beinahe meinte, sie hätte es sich nur eingebildet, hörte sie das Flattern kleiner Flügel. Grinsend ignorierte Alissa den Falken. Als sie nach herabstürzenden Schatten Ausschau hielt, vernahm sie plötzlich ein erschrockenes Piepsen und spürte einen Windstoß. Ein Schatten fiel kalt auf sie. Sie blickte hoch, wurde aber von der Sonne geblendet.
Sie schnappte nach Luft, ließ die Hacke fallen und hielt sich die Hände vor die schmerzenden Augen. Der schwere Stiel aus Eschenholz knallte an ihr Schienbein. Alissa umklammerte nun ihr Bein und hörte ein Prasseln und Knacken im Gebüsch am Rand der Lichtung.
»Bei den Hunden«, flüsterte sie und starrte auf die Zweige, die sich noch immer bewegten. Wie konnte ein Vogel solch einen Lärm machen? Sie warf einen kurzen Blick zum Haus, ehe sie zum Rand der Wiese humpelte und ins Gebüsch spähte. Grüne Stille empfing sie. Ein scharfes Knacken war zu hören,
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