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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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verstehen konnte, warum er die hageren Milchbars mit den hohen Hüftknochen als ganz besondere Kreaturen empfand.
     

4.

Sachsen und Kaninchen und Schweinchen Lazarus
     
    E in altsächsisches Dorf, das unter dem Gras unserer oberen Weiden verborgen lag, beflügelte das Interesse der Familie Holgate in Heimatkunde. Doch von den Überresten war nichts sichtbar, außer einigen niedrigen moosbewachsenen Erdhügeln nahe des kleinen Bachs, der zwei Drittel unseres Anwesens begrenzte. Aber an ruhigen Abenden, wenn die Eulen auf Jagd gingen und kleines Getier in Gras und Laub raschelte, herrschte an diesem Ort eine eigentümliche Atmosphäre, wodurch er sich von dem restlichen Gelände um Egerton unterschied. Dann konnte man sich durchaus vorstellen, daß einem unsichtbare Augen folgten, wenn man über einen Boden schritt, über den auch Menschen gegangen waren, die seit Jahrhunderten tot waren. Und manchmal, zu bestimmten Jahreszeiten, wie zum Beispiel zur Zeit des Lammens, wenn man sich halb erstarrt und müde mit angespannten Nerven im kalten Mondlicht abmühte, irgendeinem Mutterschaf in seiner Not beizustehen, dann war es nicht schwierig, sich einzureden, daß jemand, der einmal mit ähnlichen Problemen zurechtkommen mußte, in der Nähe stand und mitfühlend lächelte.
    Für unsere Freunde wurde unsere Wißbegier selbstverständlich; unser Interesse an örtlichen Praktiken und Traditionen amüsierte sie und führte dazu, daß sie uns oft gutmütig zum Narren hielten. Sie waren derart daran gewöhnt, mit Überresten aus der Vergangenheit zu leben, daß sie sich derer gar nicht mehr bewußt wurden, ganz im Gegensatz zu uns. Und die Einheimischen liebten es zu erzählen, und wir hörten sehr gern zu. Viele von ihnen, und zwar besonders die älteren Leute waren wundervolle Geschichtenerzähler. Vielleicht kam das daher, daß sie als Kinder nicht der Gehirnwäsche moderner Medien, wie Radio, Fernsehen und Kino,, ausgesetzt gewesen waren. Statt dessen waren sie zu einer Zeit groß geworden, in der Leute vom Land von der Welt jenseits ihrer Grenzen wenig wußten und sich dafür auch nicht sonderlich interessierten. An den langen Winterabenden saßen sie in Kamin- und Ofennähe und sprachen miteinander. In ihren Geschichten wurden Gegenwart, Vergangenheit und graue Vorzeit vermischt. >Als ich noch ein kleiner Junge war, erzählte mir mein alter Vater...<, so pflegten sie ihre Erzählungen zu beginnen.
    Als Davies aus Henfield über einen gewissen Hügel jammerte, der auf einem seiner Felder das Pflügen so beschwerlich machte, und er deshalb daran dachte, diesen mit dem Bulldozer einzuebnen, riet man ihm dringend davon ab. »Rühr den bloß nicht an, wenn du in Zukunft noch Glück haben willst. Wenn du den alten Hügel wegmachst, wird es auf deinem Hof keine einzige gesunde Kuh mehr geben.«
    »Was ist so Besonderes daran?« fragte ich.
    »Die alten Leute haben ihn dorthin gesetzt, deshalb rührt man ihn am besten nicht an.«
    »Was für alte Leute?«
    Das brachte sie in Verlegenheit für einen Augenblick.
    »Ich habe noch nie jemanden gehört, der sie beim Namen genannt hat«, sagte Old Jonathon zu mir. »Aber sie haben hier in dieser Gegend gelebt, lange vor uns oder den Schafen.«
    Die wahre Geschichte des Erdhügels blieb weiterhin ein Geheimnis; aber Hugh Davies, der ein vorsichtiger und kluger Mann war, pflügte um ihn herum — und sein Vieh blieb weiterhin gesund.
    Genauso verhielt es sich mit den mysteriösen, zugewachsenen Wegen oder Pfaden, die sich über das Land verzweigten. Offensichtlich waren einige davon die Verbindung zu den Ländereien, die der Dorfgemeinschaft gehörten an den Berghängen; andere allerdings schienen nirgends mit Bestimmtheit hinzuführen, als hätten sie die Richtung verloren und sich verirrt. Aber die Einheimischen wußten ganz genau, wo es ihnen zustand, ihre Rinder weiden zu lassen. Als einmal ein ehrgeiziger Bauer eine Hecke versetzte, um einen solchen >Pfad< mit in seinen Acker einzubeziehen, wurde daraufhin seine Ernte von den Schaf- und Rinderherden der Leute vernichtet, die auf diesen Boden alte Rechtsansprüche hatten. Es kam zu heftigen Wortgefechten mit seinen Nachbarn, aber schließlich war der Mann froh, einen Zaun errichten zu können, um seinen Grund und Boden zu schützen und dessen Begrenzung anzuzeigen.
    »Er ist ‘n bißchen blöd, weil er genauso gut wie jeder andere weiß, daß die alten Leute immer diesen Pfad haben benutzen können«, sagte Matthew zu mir, als ich

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