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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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ist jetzt sehr modern«, unterwies sie mich und legte ein Viereck beiseite. Dann knotete sie Wollfäden für das nächste zusammen.
    »Das wird viel Zeit in Anspruch nehmen«, wagte ich einzuwerfen.
    Sie lachte: »Na und?«
    Ich verstand, was sie damit sagen wollte. Hier auf dem Bauernhof war Zeit nicht dasselbe wie in der Großstadt London. Obgleich wir einen langen Arbeitstag hatten, konnten wir das Tempo bestimmen, und außerdem fielen die langen Fahrten zur und von der Arbeitsstätte weg. In dem Augenblick, wenn ich morgens aus dem Haus trat, begann meine Arbeit, und sie endete, wenn ich abends die Tür hinter mir schloß. Wir lebten mehr nach dem Kalender als nach der Uhr.
    Wie so oft, kam auch heute das Gespräch darauf, wie man den Zustand des Hauses verbessern könnte. Es war ein besonders reizvolles Gebäude — einige Teile waren bereits vierhundert Jahre alt — mit schwarzen Deckenbalken in den niedrigen Räumen, steilen Wendeltreppen und merkwürdigen Alkoven oder Vorsprüngen in den dicken Steinwänden. In dem hinteren Zimmer war ein Fensterplatz eingebaut, von dem aus man in aller Ruhe beobachten konnte, was draußen auf dem Hof vor sich ging. Wenn man an einer bestimmten Stelle über dem Hauptkamin klopfte, konnte man ein Echo vernehmen: In längst vergangenen Zeiten war dort eine Ofenröhre fürs Brotbacken gewesen. Und am spürbarsten war, daß Egerton ein Haus mit einer Atmosphäre war, in dem viele glückliche Menschen gelebt hatten. Es hatte allerdings auch Fehler. Der schlimmste war die Feuchtigkeit gewesen, die wir dadurch gewaltig verringern konnten, daß wir in den beiden Wohnräumen neue Fußböden einziehen ließen. Wenn ich jetzt für die Morgenschicht die Treppe herunterkam, roch es nicht mehr wie eine feuchte Moorlandschaft. Aber es gab noch vieles zu tun.
    »Die Schwierigkeit liegt darin«, sagte Shirley und knotete einen grünen mit einem schwarzen Wollfaden zusammen, »daß man das Notwendige machen läßt, ohne dabei den Charakter des Hauses zu verändern.«
    »Oder darin, daß man nicht noch mehr in die roten Zahlen auf unserer Bank gerät.«
    »Das auch«, seufzte sie zustimmend.
    Mit der Eisenstange, die als Feuerhaken diente, schob ich die brennenden Holzscheite im Kamin zurecht.
    »Wenn du willst, könnte ich die Küche mit der Tapete bekleben, die du in Kidderminster gekauft hast. Sobald ich die Zeit dafür habe...«
    »Und wann wird das sein?«
    »Wenn’s mal regnet und es nichts Wichtigeres zu tun gibt.«
    Doch ihre Pläne sahen etwas ehrgeiziger aus. Allerdings klingelte in diesem Augenblick das Telefon, so daß sie sich darüber nicht mehr auslassen konnte.
    »Wenn das ein Ortsgespräch ist, jetzt, mitten in der Nacht, dann muß es irgendwo eine Katastrophe geben«, sagte ich, als sie den Hörer abnehmen wollte.
    »Oder es ist für John«, sagte sie resigniert.
    Wir hatten beide unrecht. Es kam aus London.
    »Es ist Anne«, sagte Shirley und legte eine Hand über die Sprechmuschel. »Könnten sie und Ian uns für zwei Tage besuchen kommen?«
    »Warum nicht?«
    »Ob sie uns irgendwas mitbringen sollen.«
    Unsere Freunde aus London hatten immer noch nicht ganz verstanden, daß wir nicht völlig in der Einöde lebten, sondern auch Geschäfte zum Einkäufen hatten, wenngleich es hier natürlich nicht die Auswahl gab wie in London.
    »Eine Flasche Whisky und Ians Gummistiefel, falls er bei der Arbeit mithelfen will.«
    Sie gab nur die zweite Hälfte meiner Wünsche weiter, plauderte noch eine Weile und legte dann den Hörer wieder auf.
    »Sie werden morgen vormittag hier sein.«
    »Und wo liegt diesmal bei ihnen das Problem?«
    »Bei den beiden ist das schwierig zu sagen.«
    Der große, stämmige Ian McCullogh hatte einen dunklen Bart und war Mitte Dreißig, seine hübsche braunäugige Frau Anne einige Jahre jünger. Er arbeitete in einer multinationalen Firma als Buchhalter, und sie schrieb als Journalistin für eine Frauenzeitschrift. Darin bestand ihr Problem: ihre Karriere ging nach oben, während seine auf der Stelle trat. Sie hatten uns bereits zweimal besucht; beide Male waren sie nicht nur aus Freude an unserer Gesellschaft gekommen.
    Am nächsten Morgen wurde ihr rotes Sportauto als fröhlicher Farbfleck auf unserem Weg sichtbar. Voller Neid betrachtete John den Wagen. Er war genau das, was jeder junge Mann gern haben möchte.
    »Ob die den wohl eintauschen würden?« witzelte er.
    »Wogegen?«
    »Gegen mein rostrotes Kalb.«
    »Frag sie doch einfach«, schlug ich vor.

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