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Alle meine Schaefchen

Alle meine Schaefchen

Titel: Alle meine Schaefchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Holgate
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gebrauchen. Wenn sie sich hinlegte, mußte sie sich hinterher verzweifelt anstrengen, um wieder hochzukommen. Am Ende blieb ihr nichts anderes übrig, als ständig stehen zu bleiben, aber selbst das war sehr anstrengend für sie wegen des schwierig zu haltenden Gleichgewichtes.
    Dann, neun Tage nach ihrem Sturz, fand Shirley die große Kuh in dem Gehege am Boden liegend, in das wir sie nachts gebracht hatten. Die übrigen Kühe waren natürlich auf der Weide geblieben.
    Die Sorge um Whitey war durch das Problem der Heuernte aufgrund des unbeständigen Wetters mit abwechselnd heißem Sonnenschein und häufigen Regenschauern etwas verdrängt worden. Wir hatten alles getan, was in unserer Macht stand. Ted Gray war an dem Morgen bei uns gewesen.
    »Manchmal muß man sich eben damit abfinden, daß es einem Tier nach so einem Sturz nicht wieder besser geht«, warnte er uns. »Dabei spielt das Alter auch eine Rolle. Sie leben ja nicht ewig.«
    Shirley hatte sich neben die Kuh gekniet und strich über ihren großen, schweren Kopf und die samtene Nase, aber sie reagierte darauf kaum.
    »Können wir denn gar nichts tun?« fragte sie und wußte darauf bereits die Antwort.
    Aus irgendeinem Grund, vielleicht aus Übermüdung oder wegen meiner Hilflosigkeit, reagierte ich zornig. »Beten, vielleicht«, rief ich verbittert. »Soweit ich das beurteilen kann, bleibt uns nichts anderes.«
    John blieb nüchtern und dachte logisch. »Du weißt ganz gut, was zu tun ist.«
    »Und das wäre?«
    »Ruf den Schlachter an und sag ihm, er soll sie abholen kommen.«
    Er hatte recht; was anderes gab es nicht.
    Am nächsten Morgen fuhr der Laster vor. Zu dem Zeitpunkt war es der Kuh gelungen, sich in eine groteske sitzende Position zu hieven. Mit Hilfe der beiden Männer, die vom Schlachthof geschickt worden waren, sowie deren Flaschenzügen und Seilen, wuchteten wir sie die Rampe hinauf und verstauten sie im Wageninneren.
    Der Fahrer, ein großer Mann Ende Dreißig, mit einem runden Gesicht und einer Kugelnase, klemmte sich die Daumen seitlich hinter die Hosenträger seines Arbeitsanzugs und sah uns drei mitfühlend an, wie wir so deprimiert herumstanden, als hätten wir ein Familienmitglied verloren — was ja auch irgendwie stimmte.
    »Tut mir leid, Boß«, sagte er verlegen. »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, weil ich früher auch einen Hof hatte. Aber das ist besser, daß sie gehen, wenn sie diesen Zustand erreichen.«
    Schweigend nickte ich, und sein Begleiter schloß die hintere Ladetür des Lasters, so daß die große weiße Kuh nicht mehr in unserem Blickfeld war.
    Unsere Reaktion machte die beiden Männer ein wenig verlegen. Normalerweise hatten sie mit Leuten zu tun, die durch Erfahrung abgehärtet waren, welche die Landwirtschaft mit sich brachte. Rasch kletterten sie in ihr Führerhaus und fuhren davon.
    »>Farm der Tiere«<, sagte John und blickte dem Laster nach, der den Weg hochfuhr. »Wie in der Geschichte, als sie das alte Pferd in die Fabrik zur Herstellung von Leim fortschickten.«
    Ich erinnerte mich an die Stelle. »Wir hätten sie nicht behalten können, nicht nachdem sie sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.«
    Er wußte es genauso gut wie ich.
    Ich rief den Tierarzt an, um ihm mitzuteilen, was geschehen war, und um ihm einen unnötigen Weg zu ersparen.
    »Es tut mir leid, das zu hören«, sagte er, und die Nachricht schien ihn nicht wirklich zu überraschen. »Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß sie bereits sehr alt war.«
    Und anschließend telefonierte ich mit Ellis. Ohne mich zu unterbrechen, hörte er mir zu, bis ich geendet hatte. »Nimm’s nicht so schwer, du hast alles getan, was nur möglich war. Sie hätte dir nichts vorwerfen können.«
    Trotz des Verlustes mußte ich über seine Worte lächeln. Für Ellis bestand der Himmel aus einer sonnigen grünen Weide, auf der schwarzweiße Kühe glücklich und zufrieden grasten.
    Wieviel Geld, wenn überhaupt, sie in >Farm der Tiere< für das alte Pferd bekamen, weiß ich nicht mehr. Aber Ende des nächsten Monats kam der Postbote in seinem kleinen roten Auto den Weg heruntergefahren und reichte mir einen braunen Briefumschlag.
    »Ich hab’ keine Ahnung, was das sein könnte, Mr. Hol-gate«, sagte er erwartungsvoll.
    Damit er die nächste Nacht nicht schlaflos verbringen mußte, öffnete ich sofort den Umschlag. »Ein Scheck in Höhe von fünfzehn Pfund für die alte weiße Kuh, die der Schlachter vor ein paar Wochen abholte«, berichtete ich. »Man konnte sie

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