Alle Menschen sind sterblich
Antonio, werde meine Frau. Weißt du nicht, daß ich dich liebe?»
«Ihr?»
«Meinst du, ich kann nicht lieben?»
Sie zog ihre Hand zurück. «Ich weiß es nicht.»
«Warum graut dir vor mir?» fragte ich.
«Es graut mir nicht vor Euch.»
«Hast du Angst vor mir? Hältst du mich für den Teufel?»
«Nein. Ihr seid nicht der Teufel. Und ich glaube auch gar nicht an ihn.» Sie blickte zögernd vor sich hin.
«Nun?»
«Ihr seid kein Mensch», stieß sie heftig hervor. Sie blickte mir starr ins Gesicht. «Ihr seid ein Toter», sagte sie.
Ich faßte sie bei den Schultern, ich hätte sie zermalmen können. Auf einmal sah ich mein Bild im Grunde ihrer Augen: tot. Tot wie die Zypressen, die zwar keinen Winter, doch auch keine Blüten kennen. Ich ließ sie los und entfernte mich, ohne ein Wort zu sagen. Sie blieb unbeweglich auf der Steinbank sitzen; sie dachte an Antonio, Antonio dachte an Krieg. Und ich war wieder allein.
Einige Wochen später bemächtigte sich Antonio Rivellos mit der Hilfe der Truppen des Herzogs von Anjou; er wurde beim Angriff verwundet; während die Carmoneser zum Feste rüsteten, um den Sieg zu feiern, begab ich mich nach Villana, wohin man ihn verbrachte. Bleich, nur Haut und Knochen, lag er auf seinem Bett mit einem Loch im Leibe.
«Vater», sagte er lächelnd, «bist du stolz auf mich?»
«Ja», sagte ich.
Ich lächelte, aber in meiner Brust tobte ein Vulkan, der glühende Lava spie. Ein Loch im Leib. Und 20 Jahre der Sorgfalt, der Hoffnung, der Liebe waren ausgelöscht.
«Sind sie stolz auf mich in Carmona?»
«Niemals wird es schönere Feste in ganz Italien geben als die, die deinen Sieg feiern sollen.»
«Wenn ich sterbe», sagte er, «so verschweige meinen Tod, bis sie gefeiert haben. Feste sind etwas so Schönes!»
«Ich verspreche es dir», sagte ich.
Mit beglückter Miene schloß er wieder die Augen. Er starb als Sieger, mit Ruhm bedeckt; als wäre sein Sieg ein wirklicher Sieg gewesen, als hätte das Wörtchen Ruhm einen Sinn. Die Zukunft hatte für ihn keine Drohungen mehr: er hatte keine Zukunft; er starb, nachdem er getan, was er sich vorgenommen, er blieb ein siegreicher Held in alle Ewigkeit.
Ich aber werde niemals ein Ende finden, dachte ich mit dem Blick auf den strahlenden Himmel.
Ich hatte mein Versprechen gehalten; nur Beatrice wußte von Antonios Tod. «Es lebe Carmona! Es lebe Antonio Fosca!» rief das Volk fröhlich und ahnungslos. Drei Tage lang waren Festzüge durch die Straßen gewogt, Turniere hatten stattgefunden auf dem großen Platz, in drei Kirchen der Stadt wurden Mysterienspiele aufgeführt. In San Felice waren während des Pfingstmysteriums Funken, die die feurigen Zungen darstellten, auf die Wandbehänge gefallen; nun stand die Kirche in Flammen; aber das Volk sah mit Gleichmut den Feuerschein des Brandes. Sie sangen, und sie tanzten. Strahlende Leuchter erhellten den Platz mit den goldverhängten Fassaden. Bengalische Feuer ließen die Marmorstufen in tiefem Blutrot erglühen.
«Löscht denn niemand das Feuer?» fragte Eliane.
Sie stand neben mir auf dem Balkon; die Kette aus Gold und Rubinen, ein Geschenk von mir, umschlang ihren warmgetönten Hals.
«Heute ist Festtag», sagte ich. «Und es gibt genügend Kirchen in Carmona.»
Man hatte 30 Jahre gebraucht, um die Kirche zu bauen; in einer einzigen Nacht würde sie vernichtet sein. Aber wen kümmerte es?
Ich trat in den festlich erleuchteten Saal. In Brokat gekleidet, funkelnd von Schmuck, tanzten die Männer und Frauen. Die Flüchtlinge von Rivello und die Vertretungender eroberten Städte saßen unter einem Baldachin rund um die Abgesandten des Herzogs von Anjou. Die Franzosen sprachen mit rauher Stimme, und die anderen lachten servil. Mitten unter den Tanzenden sah ich Beatrice. Sie trug ein rotes Seidenkleid und tanzte mit einem französischen Edelmann. Als die Musik innehielt, ging ich auf sie zu.
«Beatrice!»
Sie lächelte mich herausfordernd an.
«Ich glaubte, du hieltest dich in deiner Kammer auf.»
«Ihr seht, ich bin heruntergekommen.»
«Du tanzest?»
«Muß ich nicht auch Antonios Siegestag feiern?»
«Ein schöner Feiertag», sagte ich. «Die Würmer fangen an, an seinem Leib zu nagen.»
«Schweigt doch», hauchte sie.
Ihr Gesicht glühte heiß.
«Du hast Fieber», sagte ich. «Warum quälst du dich? Du wirst doch nicht weinen?»
«Er ist als Sieger gestorben.»
«Du bist ebenso blind wie er. Sieh dir das hier an.»
Ich zeigte ihr die Franzosen mit ihren
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