Alle Rache Will Ewigkeit
die drei Fahrspuren sich auf zwei verengten.
»Und dir ist nicht unwohl bei dem Gedanken, dass Magda Newsam unter Jays Dach wohnt?«
»Du hörst dich an wie Corinna. Ich glaube nicht, dass Magda in Gefahr ist. Es klingt, als seien die beiden vernarrt ineinander. Außerdem verübt Jay keine Beziehungstaten. Ihre Morde sind vollkommen zweckorientiert. Es geht darum, dass sie das bekommt, was sie will. Und im Moment hat sie das. Na hör mal, Nick, du hast doch angeblich ein Examen in Psychologie, du solltest dir genauso sicher sein wie ich.«
»Wahrscheinlich«, sagte er. »Okay, ich schicke dir jetzt die Infos. Ruf mich an, wenn du fertig bist mit dem Herumschnüffeln.«
Charlie wurde schnell klar, wie Hester Langhope dazu gekommen war, das Depot für Asservate und Unterlagen der Polizei von Northumbria zu leiten, obwohl sie eigentlich im Ruhestand war. Charlie hatte auf Anhieb bemerkt, dass diese Frau Effizienz und menschliche Wärme auf wunderbare Weise in sich vereinte. Sie war ein Mensch, dem man sich gern anvertraute. Nicht dass sie mütterlich gewirkt hätte. Sie war groß und langgliedrig mit der Art Frisur und Make-up, die am Morgen sehr wenig Mühe erforderten. Ihre Jeans waren sauber und gebügelt, ihr Polohemd der Polizei Northumbria makellos, und ihre Turnschuhe glänzten in der Neonbeleuchtung. Obwohl Langhope offensichtlich auf die sechzig zuging, bewegte sie sich immer noch wie eine Sportlerin.
Als Charlie ankam, stand Langhope am Tisch beim Eingang, um sie zu begrüßen. Nachdem sie ihren Ausweis überprüft hatte, führte sie Charlie ins Innere des Lagers, dessen Regale mit Ablageboxen vollgestopft waren. Im Gehen fragte sie nach Charlies Fahrt und schien daran tatsächlich Interesse zu haben. Sie ging voraus zu einem schmucklosen Büro am hinteren Ende des Lagerhauses. Es enthielt einen Tisch, zwei Stühle und eine Ablagebox. Langhope öffnete die Box und zeigte Charlie den Deckel. Einen Moment war sie perplex, bis ihr klarwurde, dass auf der Innenseite eine Liste der Personen aufgeklebt war, die sich den Inhalt angeschaut hatten. »Sie werden unterschreiben müssen«, sagte Langhope. »Hier sehen Sie die Abfolge der Durchsichten. Nachdem die Ermittlungen eingestellt wurden, gab es in den ersten fünf Jahren jeweils eine jährliche Überprüfung. Dann die nächsten sechs Jahre jeweils im zweiten Jahr. Jetzt ist es alle fünf Jahre. Sie werden sehen, die letzte war 2008 .« Sie tippte mit dem Kugelschreiber darauf. »KwV, keine weitere Veranlassung.«
»Ich erwarte eigentlich nicht, etwas zu finden«, sagte Charlie.
» DS Nicolaides sagte, Sie suchen nach möglichen Opfern einer Serientäterin?«
»Richtig. Jenna Stewart passt zu dem Profil. Ich will sehen, ob es möglicherweise irgendwelche Schnittmengen gibt. Im Moment sind es reine Spekulationen.«
Langhope lächelte. »Aber manchmal zahlen gerade die sich aus. Ich lasse Sie jetzt in Ruhe. Tut mir leid, aber aus Sicherheitsgründen muss ich Sie einschließen.« Sie zeigte auf einen Knopf an der Wand neben der Tür. »Wenn Sie etwas brauchen – Kaffee, Toilette, mal zum Rauchen rausgehen –, klingeln Sie einfach, dann kommt jemand und holt Sie ab.«
Charlie war beeindruckt. In den meisten Asservatenkammern und Archiven, die sie kannte, waren die Angestellten der Ansicht gewesen, dass man, wenn man erst mal im Gebäude war, auch vertrauenswürdig war. Die Erfahrung hatte gezeigt, wie ungerechtfertigt dieses Vertrauen nur allzu oft war. Aber hier würde niemand Hester Langhopes Schätze wegschleppen. Nicht ohne vorher zu unterschreiben. Mit einem Seufzer nahm Charlie den Stoß Papiere heraus, der die Box anfüllte, und machte sich an die Arbeit.
Es lief auf Folgendes hinaus. Alles schien normal im Haushalt der Calders am Morgen des Freitag, dem 11 . Oktober 1990 . Howard Calder hatte wie üblich den Bus um fünf nach acht zu seinem Arbeitsplatz genommen. Jay – oder Jennifer, wie sie damals hieß – hatte beim Frühstück herumgetrödelt und über Zahnschmerzen geklagt. Um halb neun hatte ihre Mutter den Zahnarzt angerufen und kurzfristig einen Termin für zwanzig nach neun vereinbart. Jenna hatte eine Entschuldigung für ihre Tochter geschrieben, die sie in der Schule abgeben sollte, weil sie später kommen würde, und ihr dann das Fahrgeld für den Bus gegeben, damit sie rechtzeitig beim Zahnarzt ankäme. Da sah Jay ihre Mutter zum letzten Mal. Nach dem Termin beim Zahnarzt war Jay nach Hause gegangen, weil ihr schwindelig
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