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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terézia Mora
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als verstünde er schwer. Man verständigte sich mit Händen und Füßen, dass er sich auf der Suche nach der Bahn verirrt habe, hier hat er die Fahrkarte, Hin- und Rückfahrt, das muss man so machen, siehe, meine Absichten sind ehrenwert. Und prompt wird man belohnt. Der freundliche Herr drückte ein Auge zu, drückte tatsächlich ein Auge zu, oder vielleicht hatte er nur geblinzelt, fast legte er eine Hand auf den Unterarm des Jungen, spürte deutlich und überraschend den Impuls: lieben, nicht töten – zum Glück fuhr man jetzt wieder im Bahnhof ein, dann steig’ aber auch wirklich aus.
    Da sind wir also wieder. Aus einem Schrank bin ich gekommen, auf einer Bank auf dem Bahnhof bin ich gelandet. Allein in einer Stadt, in der man niemanden kennt. Der nächste Winter kommt bestimmt. Kohlen bekommt man da und da. Aber erst zur Fakultät, sich helfen lassen. Natürlich weiß er nicht, wo die Fakultät ist. Vergessen, zu fragen, aber bis morgen ist noch Zeit genug. Ob er an diesem Nachmittag im Herbst noch an etwas anderes dachte, Szenarien: Was geschah bis jetzt, wie soll es weitergehen, weiß man nicht. Äußerlich war nicht viel zu sehen. Ein Teenager auf einer Bank, ein zu spät gekommener Tourist. Sein Rucksack saß neben ihm wie ein Mensch.
    Später dann kam dieser Typ auf ihn zu, der sich schon seit einer Weile in der Nähe des Fahrkartenautomaten herumgedrückt und ihn beobachtet hatte, braune Bundfaltenhose, grüner Pullover, fettiger Seitenscheitel, Augenringe, und sagte:
    Tag. Mein Name ist Konstantin. Brauchst du eine Unterkunft?
    Genau so.

Willkommen
    Am Anfang und auch später ist man ständig in Bewegung, ohne wirklich vom Fleck zu kommen. Ob mit Fahrzeug oder ohne, alles dreht sich zurück in denselben Kreis. Die Mutter unterrichtet einen in Wissenschaften und Ausflügen, der Vater singt dazu internationale Schlager. Er begleitet sich auf dem Klavier, dem Keyboard, und einmal auf einem Harmonium. Er zittert mit dem rechten Bein im Takt, die beigefarbenen Socken ringeln sich über den Knöcheln. Später spielen Füße, Knöchel, Waden, insgesamt vier, noch einmal eine nicht geringe Rolle, aber dann nimmt auch das ein abruptes bis gewalttätiges Ende, und man findet sich in neuen Kreisen wieder.
    Was kann ich dir sagen, dies sind hysterische Zeiten! Als würde die ganze Welt Die Reise nach Jerusalem spielen. Panik, Geschiebe, Gewimmer, Gekreisch. Suchen ihren Platz. Oder einen. Eine harte Kante für den halben, Verzeihung, Arsch. Freiwillig, unfreiwillig. Hart ist das Leben überall, gerade jetzt, da sie nichts Eiligeres zu tun haben, als sämtliche Kontingente einzufrieren, als gäbe es keine, wie sagt man so schön: internationale Lage ! Erfreulich ist das nicht gerade, wir haben alle unsere Geschichten, andererseits sind wir erst knapp zwanzig Jahre alt und so voller Hoffnung wie vielleicht noch nie und nie mehr, sagte Konstantin, während sie sich durch die abendliche Stoßzeit schlängelten.
    Es war nicht notwendig oder möglich, etwas zu sagen, er redete ohne Pause, moderierte die fabelhafte Rettung unseres jungen Helden , zwischendurch holte er hektisch Atem, als würde er schwimmen, die Armbewegungen waren auch so.
    Wir (japst, wedelt) können zu Fuß gehen! Es ist gleich dort drüben! Einer der lehmfarbenen Kolosse, die du schon bei deiner Ankunft vom Bahnsteig aus gesehen haben musst. Nehmen wir gleich den ersten Zwanzigstöcker und gleich, Hier, hier, hier!, den ersten Aufgang, anschließend trotz Platzangst (Wieder etwas Neues …) den Fahrstuhl in den zehnten Stock. Gegenüber ist eine (ebenfalls) lehmfarbene Tür, Konstantin Tóti, Geschichte des Altertums, das wird er in Zukunft immer dazusagen: Konstantintótigeschichtedesaltertums, öffnet sie mit einem Willkommen! Willkommen in unserem bescheidenen Wohnheim, oder wie ich es nenne: der Bastille!
    Voilà, der Ort, an dem es keine Dunkelheit gibt. Oder nur Dunkelheit. Das ist so eine Ja-und-nein-Angelegenheit (alle Kursive: Konstantin). Hier werden Gebäude, ja, sogar: Schulen !, gebaut, in denen es Räume ohne Fenster gibt. Abels zukünftiges Zimmer hat zwar ein Fenster, aber auch wieder nicht, denn das, was da ist, geht auf einen engen und dunklen Innenhof, aber so eng und dunkel, dass man keine Einzelheiten darin erkennen kann. Ein Fenster zum Nichts. Wir wohnen hier genau auf dem Äquator , man sieht weder, was auf dem Grund des Schachtes ist (Dunkelheit), noch was an den Seiten vor sich geht (Zwielicht), noch oben, den Kopf in den

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