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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Henschel
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geblättert, sagte Hermann, und es sei ihm unerklärlich, was er sich dabei gedacht habe, im katholischen Emsland die Reklametrommel für Charles Bukowski zu rühren. Erections, Ejaculations, Exhibitions and General Tales of Ordinary Madness: »Wenn meine Eltern das gelesen hätten! Oder der Pfarrer in Rütenbrock!«
    Und wo wir gerade bei anstößiger Literatur waren: Auf Befehl von Astrid hatte sich auch Hermann durch Verena Stefans Machwerk »Häutungen« geackert, und er wünschte der Autorin alles Schlechte. »Ich weiß nicht, was die überhaupt will, die dumme Kuh. Die hat’s doch nun wirklich mit jedem getrieben, mit absolut jedem , der nicht bei drei auf den Bäumen gewesen ist, und dann stellt sie die Männer in Bausch und Bogen als Sexisten hin …« Solchen Auswüchsen der Frauenbewegung müßten wir uns mannhaft entgegenstemmen.
    »Und wie machen wir das?«
    »Indem wir aus überkommenen Rollenklischees ausbrechen! So wie der verdiente Kommunarde Dieter Kunzelmann, der gesagt hat: ›Was geht mich Vietnam an, ich hab Orgasmusschwierigkeiten!‹«
    »Und du meinst, das hilft?«
    »Na logo, Alter! Und vor allem muß die bürgerliche Kleinfamilie zerschlagen werden! Du weißt doch: Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment!«
    Mir fiel dazu ein Witz von Insterburg & Co. ein: »Dr. Penis ist verhaftet worden!« – »Ach was? Hat er gestanden?«
    Im Fernsehen hatte Hermann lange Zeit die Serie Männerwirtschaft am lustigsten gefunden. Ich auch. Der schlampige Sportreporter Oscar und sein Kompagnon Felix mit dem Hygienefimmel. Gut gewesen war natürlich auch Bonanza . Mit Hop Sing, dem chinesischen Koch: »Dalf’s noch etwas sein, Mistel Caltwlight?« Oder Danny Wilde und Lord Brett Sinclair: »Hände hoch, ich bin Achselhaarfetischist!«
    Was denn meine älteste Kindheitserinnerung sei, wollte Hermann wissen, und ich dachte an das Murmelspielen im Hof in Lützel.
    »Wie alt warst du da?«
    »Vermutlich drei.«
    »Und inzwischen bist du neunzehn. Du kannst dich also an was erinnern, das sechzehn Jahre her ist! So ein alter Knacker bist du!«
    Was Hermann selber durch den Kopf ging, war die Erinnerung an ein sieben mal sieben Pud wiegendes Schwert in einem russischen Kindermärchen.
    Tja, man hatte schon so manches kommen und gehen sehen. Ahoj-Brause, Apollo 9 bis 17, das rumänische Turnküken Nadia Comăneci, Urmel aus dem Eis, die Ölkrise, den deutschen Herbst …
    Und trotzdem. Jetzt fing das Leben überhaupt erst an.
    Don’t the sun look good
    Goin’ down over the sea?
    Don’t my gal look fine
    When she’s comin’ after me?
    Nächtigen mußte ich in Hermanns Schlafsack auf dem Fußboden. Als Gutenachtlektüre suchte ich mir einen Roman von Sartre aus. »Der Ekel«.
    Eine ungeheure Übelkeit überkam mich plötzlich, und der Federhalter fiel mir aus der Hand und verspritzte Tinte. Was war geschehen? Hatte ich den Ekel?
    Nein, der Ekel stellte sich erst etwas später ein:
    Ich existiere, weil ich denke … und ich kann mich nicht daran hindern zu denken. Sogar in diesem Moment – es ist gräßlich, wenn ich existiere …
    Der Erzähler führte aber auch ein irre ödes Leben. Vielleicht hätte er sich als Lottokönig ganz anders gefühlt? Wohnsitze an der Loire, in St. Tropez, in der Karibik und in Kalifornien, in jedem Arm ’ne heiße Braut und jeden Tag Champagner, Kokain und Gruppensex?
    Manche Leute standen ja auf sowas.
    Am Vormittag drehten wir eine Runde durch die Stadt. Da gab es einen dicken Dom und eine Ansammlung von Kirchen, ein Rathaus, ein Schloß und überdies die überall gebräuchliche Infrastruktur aus Ampelkreuzungen, Betonpollern, Blumenkübeln, Werbeflächen, Parkuhren, Markisen und Richtungspfeilen. Und es gab auch eine Kleiststraße in Osnabrück. Die sah unglaublich schrottig aus. Mir schwelte da ’ne Frage im Gebeiß: Was wäre Kleist wohl selbst zu dieser miesen, herzlos hingeknallten und von dumpfen Technokraten frech nach ihm benannten Mißgeburt von Straße eingefallen?
    Auf der letzten Etappe meiner Rundreise schloß ich Bekanntschaft mit den Nestern Bramsche, Ueffeln, Merzen, Lechtrup und Fürstenau. Ich hätte Meppen gegen keines davon eingetauscht, und das wollte was heißen.
    Laut Grundgesetz genossen alle Deutschen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Es wurde niemand dazu zwangsverpflichtet, in Bramsche, Ueffeln, Merzen, Lechtrup oder Fürstenau zu wohnen. Aus welchem Grunde taten es dann trotzdem so viele Leute? Resignation? Durch

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