Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
1620 erschien in London anonym ein kleiner Band mit dem Titel Horae Subsecivae: Observations and Discourses (Nebenbei verfasste Beobachtungen und Reden). Er enthält drei kurze Schriften, eine davon berichtet von einer Reise nach Rom. Der Band wurde lange Zeit dem englischen Adligen William Cavendish zugeschrieben, den Thomas Hobbes 1614 als Erzieher auf einer Reise durch Frankreich und Italien begleitet hatte. Es konnte kürzlich jedoch nachgewiesen werden, dass die dort versammelten Texte von Hobbes selbst stammen.
Der 1588 geborene Hobbes trat 1608 in den Dienst von William Cavendish, einem reichen Landeigentümer, der 1605 zum Baron und ersten Graf von Devonshire ernannt worden war. Mit dessen gleichnamigem Sohn unternahm er in seiner Eigenschaft als dessen Präzeptor eine längere Reise durch Europa, deren letzte und bedeutungsvollste Station Rom war. Von dort aus erreichten die beiden im Oktober 1614 Venedig, aber es ist nicht bekannt, wie lange sie in Rom geblieben waren. Nach der Rückkehr schrieb der noch nicht dreißigjährige Hobbes den knappen Bericht über den römischen Aufenthalt. Der junge Erzieher war damals noch weit von dem theoretischen Engagement entfernt, das ihn dazu führen sollte, einige der bedeutendsten Werke des politischen Denkens aller Zeiten zu verfassen. Das erste sollte erst etwa fünfundzwanzig Jahre später geschrieben werden. Doch trotz der Gedrängtheit und ihres Gelegenheitscharakters zeigt diese Schrift schon jenen aufmerksamen Blick auf die politischen Verhältnisse, der auf die theoretische Reflexion über den Staat hindeutet, die Hobbes in reifem Alter in ganz Europa berühmt machen wird.
Das Erste, das Hobbes auffiel, als er sich der Stadt näherte, war die Ödnis ihrer Umgebung. Die Landschaft war so kahl, dass ihm dagegen sogar der wildeste Wald in England wie fruchtbares Ackerland erschien. Er sah, dass in der Nähe von Rom das Korn nur sehr kärglich wuchs und die Halme so weit auseinander standen, dass sie keine gute Ernte erwarten ließen. Die Straßen waren in einem miserablen Zustand und nur mit großen Schwierigkeiten zu benutzen; man lief immer Gefahr, sich den Hals zu brechen. Gleich nach der Ankunft begannen die beiden Reisenden den Stadtrundgang nach dem üblichen Itinerar der ausländischen Romreisenden. Sie bewunderten die Schönheit der antiken und modernen Monumente, die Hobbes mehr als einmal Anlass gaben, den in Rom beim Volk verbreiteten Aberglauben zu geißeln, welchen, so meinte er, der römische Klerus geschickt auszunutzen verstehe, um zu viel Geld zu kommen. Hier spricht der Protestant, aber es manifestiert sich auch schon jene überzeugte antiklerikale Gesinnung, die alle seine großen Werke durchzieht und ihnen einen Anstrich früher Aufklärung verleiht. In diesem Sinne kann man sagen, dass der Aufenthalt des jungen Hobbes in Rom diese Einstellung, die eine Konstante in seinem Denken ist, bewirkt hat: eine überzeugte Ablehnung der Religion, wenn sie im Gewand des Aberglaubens daherkommt.
Noch wichtiger ist jedoch, dass Hobbes durch den Besuch in der ewigen Stadt die päpstlichen staatlichen Institutionen und die mit diesen verbundene Politik kennenlernte. Die erste Frage, die er sich stellte, war unweigerlich die nach der militärischen Potenz des Papstes. Hobbes kam zur Überzeugung, dass die Engelsburg, die einzige Festung in Rom, zu schwach sei, um einem Angriff feindlicher Heere erfolgreich standzuhalten. Der Papst könne deshalb nur auf den Schutz der verbündeten katholischen Mächte vertrauen, falls die Türken einen Überfall versuchten, eine allerdings sehr entfernte Eventualität. An diese Beobachtung schließt sich eine Reflexion über die päpstliche Regierung an, die in den Händen des Haupts der Kirche, des Papstes also, gebündelt sei. Der Papst regiere den Kirchenstaat wie ein weltlicher Fürst, obwohl seine Minister alle Geistliche seien, und übe darüber hinaus die geistliche Herrschaft über die ganze katholische Welt aus, für die er die letzte gerichtliche Instanz bilde. Was die Einkünfte betraf, so meinte Hobbes, dass sie nur zum Teil aus dem Kirchenstaat stammten, die übrigen über verschiedene Kanäle aus anderen katholischen Ländern kämen (aber über diesen Punkt war er nicht gut informiert). Interessanter ist die Bemerkung, dass die Einnahmen des Staats zu einem großen Teil den Verwandten des regierenden Papstes zuflössen. Als Hobbes in Rom war, regierte Papst Paul V. (1605–1621), mit weltlichem Namen
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