Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
angenehmen Manieren, gebildet und von erlesenem Geschmack. Er schrieb Verse und liebte die Künste, sodass er auch einen Künstler von Rang wie Bernini protegierte, vor allem aber besaß er die große Gabe, Gefallen zu erregen. Für Christine war es wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel – Azzolino wurde der Mann ihres Lebens (Abb. 11).
Im Palazzo Farnese wurden die Lebensbedingungen für Christine bald unerträglich. Die ihr zur Verfügung gestellte Dienerschaft und die Edelleute, die sie umgaben, erwiesen sich bald als eine Bande von Gaunern, die sie auf alle nur mögliche Art betrogen und bestahlen; selbst Juwelen wurden ihr entwendet. Im Juli 1656 verließ Christine Rom wegen der Pest und ging nach Paris. Bei ihrer Rückkehr bot ihr Kardinal Giulio Mazarino Gastfreundschaft in seinem Palast auf dem Quirinal an. Hier hielt Christine Hof, geriet aber unweigerlich in Konkurrenz zu dem des Papstes im nahen Quirinalspalast. Deshalb bat Alexander VII. Azzolino, ihr eine andere Residenz zu beschaffen. So mietete Azzolino im Frühjahr 1659 für seine Schutzbefohlene den Palazzo Riario alla Lungara, heute Palazzo Corsini (Abb. 12). Während Christine nach Hamburg und von dort nach Schweden reiste, um sich um ihre Finanzen zu kümmern, übernahm Azzolino die Leitung der Arbeiten im Riario-Palast, um ihn den Bedürfnissen Christines anzupassen und einen veritablen Hof dort einzurichten, wie es sich für eine Königin, als welche Christine sich immer noch fühlte, gehörte. Azzolino war mit der Zeit ihr rechtmäßiger Vertreter geworden, eine Art Premierminister eines nicht existierenden Reichs. Er stellte das nötige Personal zusammen, und es ist gut dokumentiert, dass die Wahl der Höflinge von der an der Kurie herrschenden alten, unausrottbaren Tradition des Nepotismus bestimmt war.
Abb. 11: Ferdinand Voet, Bildnis des Kardinals Decio Azzolino, Berlin, Gemäldegalerie
Denn die einflussreichsten Mitglieder von Christines römischem Hof stammten alle aus Fermo, der Geburtsstadt Azzolinos, angefangen beim Leibarzt, Cesare Macchiati, der Christine auch bei der Reise in den Norden begleitete, während der er in vielen Briefen dem Kardinal über jeden Schritt seiner Patientin berichtete. Das Gleiche tat der Kapitän ihrer Leibwache, Lorenzo Adami, auch er unweigerlich aus Fermo stammend. Zwei von Adamis Brüdern, Domenico und Ignazio, gehörten ebenfalls dem römischen Hof Christines an: Der eine diente als Page, der andere als Knappe. Fermaner waren auch die beiden Kapläne Don Giovanni Antonio Albini und ein nicht näher bekannter Don Arbostino. Selbst Diener niedrigen Ranges kamen aus der gleichen Stadt, so Antonio und Bastiano Bevilacqua, der eine Portier, der andere Mitglied der Leibwache, sowie der Kammerdiener Ignazio Orlando und Nicola Marcelli, der ebenfalls in der Kammer beschäftigt war. Als der Leibarzt Macchiati starb, wurde natürlich ein Fermaner, Romolo Spezioli, sein Nachfolger. Aus den Marken kamen die aktivsten Künstler am Hof Christines, so der Maler Giuseppe Ghezzi und der Bildhauer Francesco Maria Nocchieri; der bedeutendste von ihnen war Carlo Maratta. Einige waren sogar Verwandte von Azzolino. Palazzo Riario war 1663 wohnfertig und wurde in Christines Abwesenheit mit herrlichen Gobelins, Silbergeschirr, Büchern und einer prächtigen Sammlung von Gemälden, Skulpturen und Medaillen ausgestattet. Für all dies sorgte der beflissene Kardinal, der sich der Person Christines auch für seine eigenen politischen Ziele bediente, indem er deren immer engere Beziehungen zum Hof des Sonnenkönigs Ludwig XIV. nutzte. Decio Azzolino war einer der ärmsten Kardinäle am päpstlichen Hof und hatte viel Geld, das heißt, sehr einträgliche kirchliche Pfründen nötig. Diese erhielt er vom neuen Papst Clemens IX., der dank der Manöver der «Fliegenden Schwadron» gewählt worden war. Clemens IX. ernannte Azzolino zum Staatssekretär, wodurch er de facto Premier- und Außenminister zugleich wurde. In dieser Funktion leitete Azzolino die päpstliche Politik, wobei er die heftigste Kritik seiner Gegner auf sich zog, die ihn nicht ohne Grund der Käuflichkeit, des Opportunismus und absoluten Zynismus beschuldigten. Im Übrigen veröffentlichte Kardinal Azzolino eine kleine Schrift mit dem Titel Aforismi , in der er sich gelehrt über die päpstliche Politik ausließ, wobei er seine Aufmerksamkeit vor allem auf die beste Strategie in einem Konklave richtete.
Abb. 12: Giuseppe Vasi, Fassade des Palazzo
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