Alle Wege führen nach Rom: Die ewige Stadt und ihre Besucher (German Edition)
achtender Geistlicher darzustellen. In einem Brief vom 9. Februar 1667 erklärt sie ihm sarkastisch, verstanden zu haben, «daß Ihr nun wirklich heilig geworden seid, und ich freue mich darüber mit Euch. Ich verspreche Euch, daß ich, so lange Ihr lebt, für Eure Heiligsprechung wirken will, wenn Ihr dagegen für die meine wirkt. Und als Antwort auf Eure Predigt will ich Euch nur sagen, daß ich weiß, was ich Gott, Euch und mir schulde, und werde mich bemühen, dies zu erfüllen.» Und dann schließt sie mit einer Lektion über die Moralität: «Es ist eine Folge der Devotion, Gott wegen aller von den Menschen begangenen Dummheiten anzuklagen; aber ich, die ich nicht so in Andacht versunken bin wie Ihr, betrachte das alles auf eine andere Weise.»
Diese einstimmige Korrespondenz mit dem ungetreuen Kardinal lässt eine feine weibliche Sensibilität erkennen, wie man sie einer alleinstehenden Frau in jenen fernen Zeiten nicht zugetraut hätte. Azzolino hatte zweifellos das Verdienst, diese Seite in Christine zu wecken, obwohl seine eigenen Interessen völlig andere waren. Er ließ sie jedenfalls viele Jahre hoffen, dass er in einer Zukunft, von der unklar war, wie fern sie lag, ihre Liebe erwidern würde. Dies war ein durchtriebenes Spiel, das zynisch auf die materiellen Vorteile abzielte, die ihm die blinde Liebe der einstigen Königin verschaffen konnte. Nichts erhellt diese Einstellung besser als die polnische Erbfolge, die im Herbst 1668 eintrat. Der Tod König Johann Kasimirs, des letzten katholischen Wasa auf dem polnischen Thron, eröffnete Christine Aussichten auf eine Kandidatur, die Azzolino zäh unter Einsetzung der päpstlichen Diplomatie verfolgte. Mit dieser verbunden war das Recht auf nicht unerhebliche Besitzungen in Süditalien, das Christine geltend machen konnte. Der Kardinal verhandelte in ihrem Auftrag über diesen Punkt, um zu versuchen, diese Güter zurückzugewinnen, zu Recht hoffend, Christine einst zu beerben, denn in diesem Fall wären die süditalienischen Güter an ihn gefallen. Alle Manöver bei den europäischen Höfen und dem jeweils regierenden Papst endeten jedoch mit einem Fiasko, sowohl was Christines Kandidatur als auch die Güter betraf.
Zum Schluss sei nur noch hinzugefügt, dass Ranke mit der ihm eigenen psychologischen Einfühlung erkannt hat, wie das Verhältnis zwischen Christine und dem Kardinal beschaffen war, obwohl er die Briefe Christines nicht lesen konnte, da sie zu seiner Zeit noch nicht veröffentlicht waren. Azzolino war nach seinen Worten «ein Mann, den auch andere für das geistreichste Mitglied der Kurie hielten, den sie (Christine) aber geradezu für einen göttlichen, unvergleichlichen, dämonischen Menschen erklärt, den einzigen, den sie dem alten Reichskanzler Axel Oxenstierna überlegen glaubt».
10.
Montesquieu über die römischen Sitten
Während einer längeren Reise nach Italien hielt sich Montesquieu auch einige Monate in Rom auf. Er kam am 17. Januar 1729 an und verließ die Stadt nach einem kurzen Abstecher nach Neapel im Juli desselben Jahres wieder. Eine der Merkwürdigkeiten, die ihm gleich auffiel, war das Immunitätsrecht der Kirchen mit seinen Folgen. Aufgrund dieses Privilegs durften Verbrecher, die in eine Kirche flüchteten, nur vor kirchliche Gerichte gestellt werden, was dazu führte, dass viele Übeltäter, gleich welcher Art, unbestraft blieben. Dieses Asylrecht war in Montesquieus Augen eine wahre Plage, unter der die römische Justiz litt und die es ihr unmöglich machte, viele Schuldige zu bestrafen. Schon allein die Tatsache, dass es diese Immunität gab, begünstigte, wie Montesquieu selbst feststellen musste, eine erschreckende Zunahme an Morden. Er berichtet von einigen Fällen, die sich unter seinen entsetzten Augen abspielten, und beschreibt die Lage so: «In Rom gibt es nichts Bequemeres als die Kirchen, um zu Gott zu beten und Menschen zu ermorden. Man macht keinerlei Umstände wie in den anderen Ländern, und wenn euch das Gesicht eines Mannes nicht gefällt, braucht man nichts anderes zu tun, als ihm durch einen Diener, der darauf in eine Kirche stürzt, zwei oder drei Messerstiche versetzen zu lassen, an denen er stirbt. Dann verläßt der Diener die Kirche wieder in den Kleidern irgendeines Fürsten oder Kardinals. Als ich in Rom war, ging ein Olivetanermönch, den sein Prior beschuldigte, etwas Korn gestohlen zu haben, bei diesem beichten, gab einen Pistolenschuß auf ihn ab und flüchtete in eine Kirche.»
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