Alle Weihnachtserzählungen
uns zu tun hat.“
„Wie alt und schäbiger aussieht“, sagte Mrs. Tetterby und beobachtete ihn. „Noch nie hab ich solch eine Verwandlung an einem Mann gesehen. Ach du lieber Himmel, es war ein Opfer!“
„Was war ein Opfer?“ fragte der Mann verdrießlich.
Mrs. Tetterby schüttelte den Kopf, und ohne mit Worten zu antworten, ließ sie mit ihrer gewaltsamen Erschütterung der Wiege einen wahren Seesturm über dem Baby aufkommen.
„Falls du meinst, daß deine Heirat ein Opfer war, meine liebe Frau …“, sagte ihr Mann.
„Das meine ich“, sagte seine Frau.
„Nun, dann will ich nur sagen“, fuhr Mr. Tetterby ebenso mürrisch und trotzig wie sie fort, „daß die Sache zwei Seiten hat und daß ich das Opfer war und daß ich wünschte, das Opfer wär nich angenommen worden.“
„Das wünschte ich auch von ganzem Herzen und aus tiefster Seele, Tetterby; das versichere ich dir“, sagte seine Frau. „Du kannst es dir nicht stärker wünschen als ich, Tetterby.“
„Ich weiß nich, was ich an dir gefunden hab“, murmelte der Zeitungshändler. „Ich bin sicher … gewiß, wenn ich überhaupt was an ihr gefunden hab, dann isses jetz nich mehr da. Das dachte ich so gestern abend nach dem Abendbrot, am Kamin. Sie is dick, sie wird alt, sie würde keinen Vergleich mit den meisten andern Frauen aushalten.“
„Er sieht gewöhnlich aus; er hat kein gewisses Etwas; er ist klein; er beginnt krumm zu gehen, und er bekommt eine Glatze“, murmelte Mrs. Tetterby.
„Ich muß halb von Sinnen gewesen sein, als ich das tat“, brummte Mr. Tetterby.
„Ich muß den Verstand verloren haben. Anders kann ich mir das selbst nicht erklären“, sagte Mrs. Tetterby.
In dieser Stimmung setzten sie sich an den Frühstückstisch. Die kleinen Tetterbys waren nicht daran gewöhnt, diese Mahlzeit als sitzende Beschäftigung zu betrachten, sondern behandelten sie wie einen Tanz oder ein Trabrennen; sie ähnelte eher einem Ritus von Wilden bei dem schrillen Kriegsgeschrei und dem Schwingen von Brot und Butter, mit dem sie verbunden war, sowie dem komplizierten Marsch in Reih und Glied auf die Straße hinaus und zurück und dem Aufundabhüpfen auf den Türstufen, was zur Aufführung gehörte. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt boten die Streitigkeiten zwischen diesen Tetterby-Kindern um den gemeinsamen Milch-und-Wasser-Krug, der auf dem Tisch stand, ein so beklagenswertes Beispiel für erregte Leidenschaften, die wirklich sehr tobten, daß es ein Verbrechen an dem Andenken Dr. Watts ’ war. Es trat nicht eher für einen Augenblick Ruhe ein, bis Mr. Tetterby die ganze Schar zur Eingangstür hinausgejagt hatte, und selbst diese Ruhe wurde durch die Entdeckung unterbrochen, daß Johnny heimlich zurückgekommen war und in seiner unanständigen und habgierigen Hast im selben Augenblick wie ein Bauchredner aus dem Krug schluckte und würgte.
„Diese Kinder werden mich noch ins Grab bringen!“ sagte Mrs. Tetterby, nachdem sie den Sünder vertrieben hatte. „Je eher, desto besser, finde ich.“
„Arme Leute sollten überhaupt keine Kinder haben“, sagte Mr. Tetterby. „Uns bringen sie keine Freude.“
In dem Augenblick, als er die Tasse hochnahm, die ihm Mrs. Tetterby schroff hingeschoben hatte, und Mrs. Tetterby ihre Tasse an die Lippen führte, hielten sie beide wie gelähmt inne.
„Hier! Mutter! Vater!“ rief Johnny und rannte ins Zimmer. „Mrs. William kommt die Straße entlang!“
Und wenn jemals seit Anbeginn der Welt ein Junge ein Baby mit der Fürsorglichkeit eines alten Kindermädchens aus der Wiege nahm und es zärtlich besänftigte und tröstete und damit fröhlich davonwankte, dann war Johnny dieser Junge und Moloch dieses Baby, als sie miteinander hinausgingen!
Mr. Tetterby setzte seine Tasse ab, Mrs. Tetterby setzte ihre Tasse ab. Mr. Tetterby rieb sich die Stirn; Mrs. Tetterby rieb sich ihre. Mr. Tetterbys Gesicht begann sich zu glätten und aufzuleuchten; Mrs. Tetterbys Gesicht begann sich zu glätten und aufzuleuchten.
„O Herr, vergib mir“, sagte Mr. Tetterby zu sich selbst, „was für bösen Launen hab ich nachgegeben? Was war hier los?“
„Wie konnte ich ihn je wieder schlecht behandeln, nach allem, was ich gestern abend gesagt und empfunden habe!“ schluchzte Mrs. Tetterby, die Schürze an die Augen gepreßt.
„Bin ich ein Rohling“, sagte Mr. Tetterby, „oder steckt noch was Gutes in mir? Sophia! Meine kleine Frau!“
„Dolphus, Lieber“, entgegnete seine Frau.
„Ich – ich bin in
Weitere Kostenlose Bücher