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Alle Zeit - Roman

Alle Zeit - Roman

Titel: Alle Zeit - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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Scheune und steigt auf ihr Fahrrad und fährt aus dem Dorf und schafft es nach Hause. Da legt sie sich ins
     Bett und hört noch Henriette mit der Kaffeekanne flüstern. Dann schläft sie ein. Nicht mal gewaschen hat sie sich, aber das
     tut jetzt auch nichts mehr zur Sache, Flittchen müssen sich nicht waschen.
    Am nächsten Tag dann hat sie einen Entschluss gefasst. Sie geht zum Offizier und erzählt ihm die Geschichte. Wie der Kerl
     sie in der Scheune gepackt hat und was er gesagt hat. Dann weint sie und weint, und der Offizier steht neben ihr und knirscht
     mit den Zähnen und klackt mit dem Koppel und geht.
    Fünf Tage sieht sie ihn nicht, dann steht er vor ihrer Tür und sagt: Der ist tot. Erschossen. Vergewaltiger werden von uns
     erschossen. Also ist er tot. Dann geht der Offizier und fasst Klara nie wieder an.

 
    Juli ruft die Hebamme an. Sie hat schon ein Lieblingsspielzeug, sagt sie ins Telefon, und die Hebamme lacht. Die bunten Schlüssel
     sind es, sagt Juli. Wenn ich die über ihrem Gesicht hinschwenke und herschwenke, freut sie sich. Glaub mir. Und sie greift
     danach.
    Die Hebamme lacht noch mehr. Du bist so eine typische Mutter, Juli, darüber bin ich wirklich froh. Alle typischen Mütter glauben,
     dass ihre Babys schon nach ein paar Tagen fast sprechen können.
    So doof bin ich nicht, sagt Juli beleidigt. Ich habe gelesen, dass die bunten Sachen schon von den Neugeborenen gemocht werden.
     Wenn sie sich nur bewegen. Deshalb bewege ich jetzt alle halbe Stunde etwas über Svenjas Gesicht. Damit sie lernt, dass es
     mehr als eine bunte Sache gibt auf der Welt.
    Du könntest zwischendurch mal mit dem Kopf wackeln, die grünen Haare gefallen Svenja bestimmt auch.
    Klar, sagt Juli und zieht an ihren grünen Haaren, bis sie zehn oder zwanzig davon zwischen den Fingern hat. Ich will die Kisten
     haben, sagt sie. So schnell wie möglich. Es muss doch irgendjemanden geben. Von meiner Familie können ja nicht alle tot sein.
    Mach dir keine falschen Hoffnungen, Juli. Du warst Elisas einziges Kind.
    Ja, und meinen Vater, den muss es doch geben, oder? Vielleicht hat der noch Kinder, dann bekomme ich Halbgeschwister zuhauf.
     Oder Henriette hatte Brüder undSchwestern, von denen ich nichts weiß. Oder Klara lebt noch.
    Klara ist sicher tot, überleg doch mal, wie alt sie heute wäre.
    Gerade mal achtzig, da kenne ich eine Menge, die so alt werden. Habe erst letztens eine Frau im Park getroffen, die war mindestens
     achtzig, obwohl sie eine glatte, rosige Haut hatte. Zumindest an manchen Stellen. Aber sie wusste nicht mehr, was eine Mütze
     ist. Also bitte, es kann gut möglich sein, dass Klara lebt. Dann hätte ich wenigstens eine Urgroßmutter.
    Da könntest du recht haben. Ich will nur nicht, dass du zu große Hoffnung hast. Klara, wenn sie noch lebt, weiß ja nicht mal,
     dass es dich gibt. Aber ich bringe dir die Kisten. Morgen früh, wenn ich das Auto bekomme.
    Bitte, sagt Juli und fängt schon wieder an zu weinen. Ich fühle mich allein hier. Ich will zu jemandem gehören.
    Die Hebamme seufzt und schweigt und seufzt und sagt: Du hast eine leichte Depression, Juli, das ist nicht unüblich nach einer
     Geburt. Lass dich nicht so sehr drauf ein. Morgen früh komme ich, und dann überlegen wir, wie wir dich aus der Wohnung kriegen.
     Dich und Svenja. Das ist nicht gut für euch, da in diesem Loch und ohne Nachbarn. Außerdem zu kalt. Wenn keiner heizt im Haus,
     ist es einfach zu kalt. Und du musst wieder in die Schule. So schnell wie möglich. Hast du jetzt noch etwas im Kühlschrank?
    Juli schnieft und geht in die Küche, macht den Kühlschrank auf und berichtet ins Telefon: einen Liter Milch, drei Mohrrüben,
     zwei Eier, eine halben Salatkopf, Margarine, und im Schrank ist noch Brot. Die Konfitüre, die du mir geschenkt hast, ist auch
     noch nicht alle.
    Viel ist das nicht, seufzt die Hebamme. Am besten, du machst dir ein paar Eierkuchen. Mehl ist doch da, oder?
    Juli schweigt.
    Weißt du, wie Eierkuchen gemacht werden?
    Juli schweigt.
    Hol Stift und Papier, ich erklär’s dir. Und ein Kochbuch bringe ich dir morgen auch mit. Wir müssen ganz von vorn anfangen,
     Juli. Irgendetwas wird uns einfallen. Ich komme morgen mit den Kisten und dem Kochbuch.
    Juli braucht fast eine Stunde für die Eierkuchen. Es sind ihre ersten, und sie werden erst zu dick und zu klebrig, und dann
     brennt noch einer an, bevor das, was aus der Pfanne kommt, endlich essbar aussieht. Aber nun hat sie es ein wenig gelernt,
     und

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