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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Schroeder
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finden ließ, wo dann?
    Von mehreren Museen war die Rede. Man konnte Dinosaurierfossilien bestaunen, die Geschichte des Drei-Schluchten-Staudamms kennenlernen und eine Sonderausstellung besuchen, die sich mit der Bedeutung Chongqings während der japanischen Luftangriffe auf Zentralchina befasste. Nicht zu vergessen das zu einer Gedenkstätte umgebaute Konzentrationslager der Kuomintang, dessen Folterinstrumente noch heute zu besichtigen sind. Wow! Diese Gegend war ein Mekka für Vergnügungssüchtige!
    Ohne es zu wollen, wurde ich an einen Aufenthalt bei Studienfreunden von Henning erinnert. Sie lebten in einer mittelgroßen Stadt, deren Namen ich längst vergessen habe, und hatten für uns ein Touristenprogrammerarbeitet, dessen Höhepunkte aus dem Besuch eines Museums mit heimischen Trachten und einer Tropfsteinhöhle bestanden. Am unterhaltsamsten war eigentlich noch der Barfußpfad gewesen, auf dem man abwechselnd durch Matsch und kaltes Wasser oder über unterschiedlich große Steine lief.
    Aber das war nur ein Wochenende gewesen, und ich sollte mehrere Jahre an einem Ort verbringen, der sich mit solchen Attraktionen anpries? Ganz zu schweigen von der Beschreibung des Pipabergs, von dem es hieß: »Von hier aus kann man nicht nur den dicken Smogschleier über Chongqing sehr gut sehen.«
    Danach kam noch ein Blatt, das dem Druckbild nach von einer anderen Internetseite stammte und den Titel »Nachtleben« trug. »Mehrere Discos stehen nah beieinander«, erfuhr ich dort. »Die Frauen sind offen und die Musik ist westlich.«
    Entweder sollte man diese Praktikantin feuern oder denjenigen, der ihr nicht beigebracht hatte, vor solchen Aufträgen danach zu fragen, wofür sie gedacht waren. Ich war jedenfalls erst mal bedient mit all dem Wissen, das ich auf diese Weise gewonnen hatte. Henning wurde aus Gründen der Firmenraison in eine Stadt versetzt, in die freiwillig niemand gehen wollte. Und ich sollte mit, damit er nicht schon in den ersten drei Wochen das Handtuch warf. Ohne noch einen Kommentar dazu abzugeben, packte ich die Blätter wieder in ihre Klarsichthülle und griff stattdessen zu meinem Krimi, in dem gerade ein absolut durchgeknallter Psychopath zwei Frauen ermordet hatte und einer weiteren nachstellte. Harte Kost, aber im Vergleich zu meinem vorhergehenden Lesestoff geradezu unterhaltsam.

12
    Am nächsten Morgen frühstückte ich mit Henning, ohne dass wir noch mal über das Thema China sprachen. Ich jedenfalls hatte auch völlig andere Dinge im Kopf, denn auch nach Jahrzehnten gynäkologischer Erfahrung, zwei Schwangerschaften eingeschlossen, machte mir ein Besuch beim Frauenarzt jedes Mal wieder zu schaffen.
    Dieses Mal war ich noch hin- und hergerissener denn je, wenn ich an meine Krebsvorsorge dachte. Ich meine, man geht eigentlich ja jedes Mal hin mit dem Gefühl »eigentlich überflüssig, er findet ja doch nichts«. Auch dieses Mal hatte ich keinen Anlass zur Sorge; bei meinen gelegentlichen Abtast-Kontrollen hatte ich nichts Aufregendes in meinen Brüsten entdeckt, es ging mir gut, und bis auf die lästigen Erscheinungen, die ich auf die Wechseljahre zurückführte, konnte ich wirklich nicht klagen. Und niemand wünscht sich ja, krank zu sein   – vor allem nicht so, wie es bei einer solchen Untersuchung festgestellt werden könnte. Aber   – und das war ein Gedanke, für den ich mich zeitnah schämte   – wenn bei dieser Untersuchung etwas gefunden werden würde, dann hätte Henning doch sicher einen Grund, Dr.   Sondermanns Angebot abzulehnen, oder? Niemand konnte von ihm verlangen, eine krebsgefährdete Frau mit nach China zu nehmen oder allein zu Hause zurückzulassen.
    Mental haute ich mir auf die Finger. Pfui, solche Gedankenhat man nicht! Das ist ungefähr so wie früher, als man seinen Teller leer essen musste, weil die vielen armen Kinder in Biafra Hunger litten. Meine Eltern waren da sehr konsequent, und diese Erziehung hat tiefere Spuren hinterlassen, als man manchmal ahnt. Und doch   … Schließlich ist es eine Sache, als quengelige Luxusgattin seinem Mann eine Aufstiegschance zu versauen, während der Fall einer armen Chemo-Patientin doch ganz anders lag. Wobei mir der Gedanke an dieses Stadium der Krankheit doch unsympathisch war. Vielleicht gab es Fälle, in denen es einige Zeit dauerte, bis die Untersuchungen abgeschlossen waren und man sicher sein konnte, dass es sich um nichts Schlimmes handelte, aber bis dahin hatte die Firma längst einen smarten Jungingenieur

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