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Alles Glück kommt nie

Titel: Alles Glück kommt nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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beugt sich zu ihr, legt ihr die Hand aufs Knie und sieht sie von unten her an: »Du weißt, dass du eines Tages sterben wirst? Das weißt du, meine Süße? Dass auch du krepieren wirst?«
    »Der Kerl hat ja wirklich zu viel getrunken!«, empört sie sichund zwingt sich zu einem Lachen, dann fängt sie sich wieder: »Setz dich gerade hin, du tust mir weh.«
    Kleine Missstimmung über der Zuckerdose. Mado wirft ihrer jüngsten Tochter fragende Blicke zu, die ihr wiederum Zeichen macht, ihren Espresso auszutrinken, als wenn nichts wäre. Rühr um, Mama, rühr um. Ich erklär’s dir.
    Kasatschok wirft einen kleinen Scherz in den Raum, und die Provinz wird langsam unruhig: »Okay«, seufzt Edith, wir wollen los. »Bernard, würdest du bitte die Kinder rufen?«
    »Gute Idee!«, fügt Charles bekräftigend hinzu, »packt alles in den dicken 4x4! He, Champion? Hast einen schönen Jeep, was? Den hab ich vorhin gesehen. Mit getönten Scheiben und all–«
    »Charles, ich bitte dich, das ist nicht mehr witzig.«
    »Aber ich war noch nie witzig, Edith. Das weißt du genau.«
     
    Er steht auf, stellt sich unten an die Treppe und brüllt: »Mathilde! Bei Fuß, mein Hund!«
    Dann dreht er sich zu den versteinerten Geschworenen um und sagt: »Keine Panik. Das ist ein Insider-Witz ...«
    Peinliche Stille, plötzlich von ohrenbetäubendem Gekläff unterbrochen.
    »Was habe ich euch gesagt ...«
    Er dreht sich auf dem Absatz um, hält sich dabei an der Messingkugel fest und herrscht die Königin des Abends an:
    »Sie ist zurzeit etwas nervig, deine Kleine, aber weißt du, was? Sie ist das Beste, was du mir je geschenkt hast ...«
    »Mach schon. Wir wollen los«, sagt Laurence, die mit ihren Kräften am Ende ist, »und gib mir den Schlüssel. In dem Zustand lasse ich dich nicht fahren.«
    »Gut gebrüllt!«
    Er knöpft seine Jacke zu und zieht den Kopf ein.
    »Gute Nacht alle miteinander. Ich bin tot.«

4
    Und woran?«, fragt Mado sofort.
    »Mehr weiß ich auch nicht«, antwortet Claire, die nach den letzten Umarmungen geblieben war, um beim Ausschütteln der Tischdecke zu helfen.
    Ihr Vater kommt mit einem Stapel schmutziger Teller zu ihnen in die Küche. »Was ist das hier bloß für ein Irrenhaus?«, seufzt er.
    »Unsere ehemalige Nachbarin ist gestorben.«
    »Welche ist es denn diesmal? Die alte Verdier?«
    »Nein. Anouk.«
    Wie schwer die Teller plötzlich sind! Er stellt sie ab und setzt sich ans Tischende. »Und – wann?«
    »Wir wissen es nicht.«
    »Ein Unfall?«
    »Wir sagen doch, wir wissen es nicht!«, wiederholt seine Frau genervt.
    Stille.
     
    »Sie war doch noch jung. Sie war so um die –«
    »Dreiundsechzig«, murmelt ihr Mann.
    »Nein. Das kann nicht sein. Nicht sie. Sie war – zu lebendig, um einfach zu sterben.«
    »Krebs vielleicht?«, überlegt Claire laut.
    »Ja, oder ...«
    Mit Blicken zeigt ihre Mutter auf eine leere Flasche. »Mado«, tadelt er sie und runzelt die Stirn.
    »Was, Mado? Was, Mado? Sie hat getrunken, das weißt du genau!«
    »Sie ist vor so langer Zeit weggezogen. Wir wissen nicht, wie sie seitdem gelebt hat.«
    »Immer musst du sie verteidigen, was?«
    Wie giftig sie plötzlich war. Claire wusste schon, dass sie ein paar Episoden verpasst hatte, konnte sich aber nicht vorstellen, dass sie heute Abend noch nachwirkten.
    Sie, Charles und jetzt auch ihr Vater. Ein schöner Kegelclub.
     
    Wie weit weg das alles war. Und doch eigentlich nicht. Charles, der sich nicht mehr auf den Beinen halten kann, und du, Papa. Der unter dieser Lampe noch nie so alt ausgesehen hat.
    Anouk – Anouk und Alexis Le Men. Wann lasst ihr uns endlich in Ruhe? Schaut euch das an, ihr zwei. Über euch ist kein Gras gewachsen.
    Ihr war plötzlich sehr nach Heulen zumute. Sie biss sich auf die Lippe und stand auf, um die Maschine weiter einzuräumen.
    Los. Haut ab jetzt. Aus dem Weg.
    Man schießt nicht auf Genesende.
    »Gib mir die Gläser, Mama.«
    »Ich kann es nicht glauben.«
    »Mama. Es ist gut jetzt. Sie ist tot.«
    »Nein. Sie doch nicht –«
    »Wie, sie doch nicht?«
    »Solche Leute sterben nicht –«
    »Aber ja doch! Der Beweis ... Komm, hilf mir, ich muss bald los.«
    Stille. Das Brummen des Geschirrspülers.
     
    »Sie war verrückt.«
    »Ich geh jetzt ins Bett«, verkündet ihr Vater.
    »Doch, Henri! Sie war verrückt!«
    Er dreht sich noch einmal um, müde: »Ich habe nur gesagt, dass ich ins Bett gehe, Mado.«
    »Ich weiß doch, was du denkst!«
    Sie schweigt einen Augenblick und fährt dann mit

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