Alles hat seine Zeit
vielen Lachen bekam der Oberleutnant B. einen Erstickungsanfall (er war gerade beim Essen), und diese Ablenkung wirkte sich zu meinem Vorteil
aus. Dann war es der Doktor, der mir, ohne es zu wollen, half, denn er brüllte, eine Frau habe mich wohl aufgehalten. Nachdem die Sache nun diese Wendung genommen hatte, sprach man recht bald nicht mehr von meiner Verspätung, sondern nur noch von den Gründen, die sie verursacht hatten. Und jeder stellte Vermutungen an. Und jeder dachte sich schon eine zukünftige Verspätung aus, wenn er selbst an die Reihe käme. Mein Präzedenzfall verletzte ruhmreich die Vorschrift.
Dies fand der Major allerdings nicht, der noch immer finster dreinblickte und ebenso außerstande war, die Heiterkeit der anderen zu zügeln, wie daran teilzunehmen. Endlich entschloss er sich.«Ich vermute», sagte er,«dass Ihr Zahn Ihnen jetzt nicht weh tut.»Er brachte es mit Ironie vor, die Worte abwägend und in der Gewissheit, ins Schwarze getroffen zu haben. Ich zog die Brieftasche hervor.«Da ist er!», entgegnete ich ruhig.
Ich hatte gesiegt, das ausbrechende Gelächter sagte es mir. Aber ich musste mich setzen, essen, erzählen, weiteres Gelächter heraufbeschwören. Es war unvermeidlich. Als ich später mein Zelt betrat, lagen auf dem Feldbett zwei Briefe.
DRITTES KAPITEL
Das Gold
1
Nach dem Wecken befahl mir der Hauptmann, mich für einen Ausmarsch ins Tal bereitzumachen; ich sollte den ganzen Tag mit meinem Zug draußen sein. Ich faltete die Karte auseinander, nicht jene alte unglaubwürdige Karte, sondern eine andere, und indem er genau auf den Punkt zeigte, den ich fürchtete, sagte er, ich täte gut daran, bis dahin zu kommen. Übrigens gebe es eine ziemlich bequeme Abkürzung; gleichzeitig solle ich prüfen, ob es nicht angebracht sei, sie zu verbessern, die Leute hätten ja nichts zu tun, und der Müßiggang bedrücke sie nur. Wie dem auch sei, diese Abkürzung sollten wir an vielen Stellen, die zu felsig seien, verbessern.
Während der Hauptmann sprach, suchte ich nach einer Ausrede, fand aber keine. Ich musste für meine lange Abwesenheit irgendwie büßen und durfte keine Ausrede geltend machen. Als der Hauptmann mich fragte, ob ich verstanden hätte, stand ich verlegen da, ohne etwas zu sagen.
«Nehmen Sie die Karte», fügte er hinzu.
Der Zug war schon bereit. Alle waren in Kenntnis gesetzt worden, welche Gegend wir auskundschaften sollten. Das missfiel mir. Es bedeutete, dass der Hauptmann kein Vertrauen in mich hatte und sich auch noch an den Feldwebel wandte, damit seine Befehle ausgeführt würden. Es missfiel mir auch deswegen, weil der Gedanke, der mir mittlerweile durch den Kopf gegangen war, unausführbar wurde, da nämlich auch der Feldwebel seine brave Landkarte bei sich hatte: Dadurch wurde es unmöglich, die Gesellschaft vom Weg abweichen zu lassen und zu einer anderen Stelle des Flusses zu führen, dort ein Bad zu nehmen und die Aussicht zu betrachten; das wäre ein Programm gewesen, an dem die Soldaten gern teilgenommen hätten.
Es war nichts zu machen. Der Feldwebel hätte sich lieber totschießen lassen, als auf das zu verzichten, was er als eine Kriegshandlung ansah: Er wollte befördert werden, und er war bereits stolz, dass der Hauptmann ihn mit seinem Vertrauen beehrte. Ich hätte zu ihm sagen können:«Ich komme nicht mit», er wäre glücklich gewesen, den Zug zu befehligen, er hätte Wunder vollbracht, aber gerade deswegen wäre die Sache herausgekommen. Ich musste hingehen. Ich musste mir die Abkürzung genau ansehen und entscheiden,
an welchen Stellen es angebracht war, sie zu verbessern.
«Ob wir Wasser finden?»
«Ja», erwiderte ich unbedacht; dann fügte ich hinzu, ich wisse es zwar nicht, aber möglicherweise würden wir welches finden. Ich lächelte, als ich daran dachte, dass wir auch die Seife finden würden. Oder vielleicht hatten die Raben…
Ich musste also dorthin zurückkehren. Die Sache widerstrebte mir zutiefst; es ist also nicht immer wahr, dass die Mörder vom Ort ihres Verbrechens angezogen werden. Sollte etwa mein Widerstreben bedeuten, dass es übertrieben war, von Verbrechen zu reden? Nun, dies wäre ein schwacher Trost. Während wir zum Fluss hinuntergingen und die Soldaten sangen, spürte ich, dass all meine Furcht verflog und sogar eine gelassene Neugier an ihre Stelle trat, die Neugier, die den eifrigen Leser dazu bewegt, die in seinem Lieblingsroman beschriebenen Stätten aufzusuchen. Ich konnte mir sagen, dass ich ganz
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