Alles Ist Ewig
bringen. Sie konnte ihm ansehen, dass er sich gerade Hunderte andere Arten ausmalte, wie diese Geschichte hätte ausgehen können, eine schrecklicher als die andere. Er starrte ins Leere, bis er schließlich wieder die Kraft fand zu sprechen. »Ich hätte es wissen müssen! Warum war ich auch nicht mit dir auf dem Friedhof, sondern hab stattdessen nach Padma gesucht? Ich hätte dich für immer verlieren können, und das wäre ganz allein meine Schuld gewesen!«
»Wie bist du entkommen?«, wollte Leah wissen.
»Adam hatte einen Schlüssel, mit dem man die Tür auch von innen öffnen konnte. Er hat ihn mir gegeben und ist selbst dort geblieben. Er hat mir das Leben gerettet.«
»Im Gegensatz zu mir«, murmelte Iain.
»Du bist der einzige Grund, warum ich weiterleben wollte«, sagte Haven zu ihm und lächelte zum ersten Mal seit Tagen.
»Hat Adam dir den hier gegeben?«, fragte Leah, die den goldenen Schlüssel zwischen Daumen und Zeigefinger drehte. »Den hattest du in der Hand, als wir dich gefunden haben.« Sie wollte ihn Haven geben.
»Nein. Der gehört jetzt dir«, sagte Haven, die den Schlüssel nicht mehr berühren wollte. »Adam wollte, dass du ihn bekommst.«
»Ich?«, fragte Leah.
»Er meinte, du würdest wissen, wann die Zeit gekommen ist, ihn zu benutzen.«
»Die Horae haben dich wirklich mit eingesperrt?«, fragte Iain. Er schien es noch immer nicht glauben zu können. »Konnten die sich denn nicht denken, dass wir dich retten würden?«
»Adam hat gesagt, dass sie euch wahrscheinlich als Nächstes töten wollten«, erklärte Haven.
Iain schien die letzten zwölf Stunden in seinem Kopf Revue passieren zu lassen. »Vielleicht hätten sie es sogar versucht, aber wir waren heute die meiste Zeit von Polizisten umgeben. Ich musste die Polizei rufen, nachdem ich Padmas Leiche gefunden hatte.«
»Oh mein Gott!«, rief Haven und setzte sich kerzengerade in ihrem Krankenhausbett auf. »Padma ist tot? Was ist passiert?«
Iain schloss die Augen und holte tief Luft. »Es war schrecklich, Haven. Ich hab sie heute Morgen im Gramercy Park gefunden. Sie hing an einem Baum. Adam wollte an ihr wohl ein Exempel statuieren.«
»Nein! Adam hat sie nicht getötet. Das kann nicht sein!«
»Wir wissen nicht, wer es war«, räumte Leah ein. »Der Polizei mangelt es nicht gerade an Verdächtigen.«
»Tja, wer immer es gewesen ist, hat Leah und mich wahrscheinlich vor den Horae beschützt«, sagte Iain. »Ich bin den ganzen Vormittag lang verhört worden. Leah hatte in den Nachrichten von dem Mord gehört und ist selbst zur Polizeiwache gekommen. Und sie war um drei Uhr immer noch da, als die Polizei mich gezwungen hat, einem Haufen Reportern Fragen zu beantworten.«
»Dieser New Yorker Nachrichtensender hat eben einen Ausschnitt aus der Pressekonferenz gezeigt«, sagte Leah. »Ein paar Krankenschwestern haben es sich angesehen, als ich vorhin auf der Suche nach den Toiletten war.«
»Vielleicht läuft es ja noch«, sagte Haven aufgeregt.
Iain schaltete den Fernseher ein, der an der Wand befestigt war, und zappte sich durch die Programme. Als er den Vierundzwanzigstunden-Nachrichtensender gefunden hatte, schnappte Haven ihm die Fernbedienung aus der Hand und stellte die Lautstärke höher. Es war das zweite Mal, dass sie Iain Morrow im Fernsehen sah. Fast zwei Jahre waren vergangen, seit sein schönes Gesicht ihr zum ersten Mal aus dem Fernseher ihrer Großmutter entgegengeblickt hatte.
Haven verspürte einen Anflug von Stolz beim Anblick des jungen Mannes neben einem grauhaarigen alten Polizei-Inspektor. Iain wirkte gehetzt und man sah ihm sein Unbehagen an. Es fühlte sich sichtlich unwohl dabei, von einer gierigen Meute Journalisten in die Mangel genommen zu werden. Doch in seinen Augen lag keine Spur von Angst.
»Mr Morrow, Sie waren derjenige, der heute am frühen Morgen Padma Singhs Leiche entdeckt hat, ist das korrekt?«, fragte ein Reporter.
»Ja«, bestätigte Iain und blinzelte, als die Blitzlichter von fünfzig Kameras auf einmal loszugehen schienen.
»Können Sie den Zustand beschreiben, in dem sich die Tote befand?«
Iain verzog das Gesicht, als würde ihm übel bei der Erinnerung, und der Inspektor neben ihm klopfte ihm beruhigend auf den Rücken. »Ich bin so gegen halb sieben im Park angekommen. Da habe ich Padma Singhs Leiche von einem Baum gleich gegenüber vom Hauptsitz der Ouroboros-Gesellschaft hängen sehen. Sie war nackt. Und jemand hatte ihr das Wort Verräterin in die Haut
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