Alles Ist Ewig
haben nicht die Polizei gerufen?«, fragte Haven vorwurfsvoll, schockiert über die Gleichgültigkeit der Frau.
»Er hat sich nicht gerade gewehrt, als sie ihn hier runtergebracht haben. Und diese zwei Mädels haben gesagt, dass sie mich und meine Freundin bei Schnee nicht mehr hier unten schlafen lassen, wenn ich mich nicht um meinen eigenen Kram kümmere«, erklärte die Frau. »Tut mir leid, aber ich hab echt andere Sorgen als irgendwelche dummen Südstaatenjungs, die sich gern in alten Banktresoren verkriechen.«
»Haben diese Mädels Ihnen denn zufällig auch gesagt, dass dieses Gebäude demnächst abgerissen wird?«, fragte Haven. »Haben sie Ihnen gesagt, dass Sie sich besser einen anderen Unterschlupf suchen sollten, wenn Sie nicht unter einem Berg Schutt begraben werden wollen?«
Die Frau starrte Haven einen Moment lang an. »Das haben sie nicht erwähnt, nein. Also, wie wollen Sie ihn da jetzt rauskriegen?« Sie wirkte neugierig, mehr aber auch nicht.
»Ich habe die Kombination.«
»Ach, das ist gerade mal die halbe Miete«, verkündete die Frau und stemmte sich vom Boden hoch. »Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen, wie sie die Tür aufgekriegt haben. Sah nämlich gar nicht mal so einfach aus.«
In dem Moment kamen Iain und Leah das Seil heruntergerutscht.
»Wer ist das denn?«, fragte Iain.
»Wer sind die denn?«, fragte die Frau und starrte Leah an, die im Schein der Taschenlampen aussah, als wäre sie nicht von dieser Welt.
»Das sind meine Freunde Iain und Leah. Diese nette Dame hier …« Sie wartete darauf, dass die Frau ihr ihren Namen nannte.
»Ramona«, sagte die Frau schließlich widerstrebend.
»Ramona will mir helfen, den Tresor zu öffnen«, erklärte Haven.
»Und bekommt Ramona auch eine kleine Belohnung für ihre Hilfe?«, fragte Ramona.
»Ich gebe Ihnen meine letzten zwanzig Mäuse«, bot Leah an und wühlte in ihrer Tasche, bis sie einen zusammengerollten Schein zum Vorschein brachte.
»Ist sicher schon Mitternacht«, sagte Ramona und sah auf eine imaginäre Uhr. »Da sollte ja wohl ein kleiner Nachtzuschlag drin sein. Ich nehme das und noch mal die Hälfte obendrauf.«
Iain kramte in seinen Jackentaschen. »Ich hab nur einen Fünfer.«
»Dann schulden Sie mir noch einen davon«, sagte Ramona und riss ihm den Schein aus den Fingern. »Sie sehen aus, als hätten Sie genug davon. Dann machen wir uns mal an die Arbeit.«
Sie zeigte Haven, wie sie die Kombination eingeben und welche Hebel sie betätigen musste. Als sie gemeinsam die Tür aufzogen, schlug ihnen eine Welle heißer Luft entgegen.
»Verflucht, das stinkt ja ekelhaft da drin!«, merkte Ramona an. »’tschuldigung«, fügte sie schnell hinzu, als Leah ihr einen scharfen Blick zuwarf. »Wenigstens hatte er’s warm! Ich bin schon froh, dass ich noch alle meine Zehen hab.«
Im Tresorraum lag Beau auf der Seite mit dem Gesicht zur Wand, die blonden Locken nass vor Schweiß. Ein stinkender Eimer stand in der gegenüberliegenden Ecke, umgeben von Schokoriegelpapier. Ansonsten befand sich nur noch eine leere Wasserflasche in dem winzigen Raum.
»Beau!«, schrie Haven, als sie sich auf den Metallboden fallen ließ und sich neben ihn kniete, eine Hand auf seiner Brust. Sie spürte, wie sie sich hob und senkte. »Beau«, rief sie wieder und rüttelte ihn leicht. »Beau, bitte, wach auf!«
»Was zum Teufel …«, murmelte Beau. Er rollte sich herum und schirmte seine blau geschlagenen Augen vor dem blendenden Licht der Taschenlampen ab. »Haven? Bist du das?«
»Beau!« Haven wurde beinahe bewusstlos vor Erleichterung. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Haven.« Beau blinzelte noch immer wütend gegen das grelle Licht an. »Mann, ich hab gerade den schlimmsten Albtraum gehabt. Da war so ein verfluchtes kleines Mädchen und … Warte mal. Ist er hier? Hast du ihn mitgebracht?«
»Iain ist draußen«, versicherte Haven ihm. »Und Leah auch. Sie helfen mir, dich hier rauszubringen.«
Iain machte einen Schritt in den Raum. »Ich bin hier, Beau«, sagte er.
»Nein, nicht Iain.« Beau wirkte verwirrt. »Adam.«
»Warum sollte Adam bei mir sein?« Haven wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab.
»Du hast doch gesagt, ich soll hier drin warten! Du hast gesagt, ich soll mich hier verstecken und ihn überwältigen, damit du ihn in dem Tresor einsperren kannst. Hast du gedacht, ich würde mich für nichts und wieder nichts in diesem Metallkasten hier totschwitzen?«
» Ich hab dir gesagt, du sollst hier drin warten?«
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