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Alles Ist Ewig

Alles Ist Ewig

Titel: Alles Ist Ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Miller
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des Jungen auf der anderen Seite des Gangs ein. Haven hatte gar nicht bemerkt, dass sie aufgewacht war. »Er hat nur eine rege Fantasie. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht solche Lügen erzählen sollst, Jordan?«
    »Das ist nicht gelogen«, verteidigte sich der Junge. »Ich bin mit einem riesigen Ballon hierhergeflogen.«
    »Sehen Sie, was ich meine?«, wandte sich die Frau an Haven und suchte in ihren Augen nach Mitgefühl. »Ich weiß wirklich nicht, woher er das hat.«
    »Was war das für ein riesiger Ballon?«, fragte Haven den Jungen leise, als seine Mutter nicht mehr hinhörte. »Meinst du vielleicht einen Zeppelin? Bist du in einem Zeppelin hergekommen?«
    »Ach, vergessen Sie’s«, erwiderte Jordan schmollend.
    Dreißig Minuten später, als Haven und Iain sich in der Warteschlange am Taxistand hinter ihm und seiner Familie wiederfanden, war der Junge immer noch übelster Laune. Ein eisiger Wind umwehte sie, kroch Havens Ärmel hinauf und schlängelte sich durch die Knopflöcher ihres Mantels.
    »Brr, ich glaube, so sehr gefroren hab ich noch nie. Du?«, fragte sie, um das niedergeschlagene Kind mit ein bisschen Small Talk aufzuheitern. Der Junge zog jedoch bloß mit einem verächtlichen Schnauben seine Spielkonsole aus der Tasche und beachtete Haven gar nicht.
    »Jordan!«, wies seine Mutter ihn zurecht. »Sei nicht so unhöflich!«
    »Lass mich in Ruhe«, nörgelte er zurück.
    »Schon in Ordnung«, versicherte Iain der Mutter. »Es ist spät, und wir sind alle erschöpft.«
    Als sie schließlich zu einem Taxi gewinkt wurden, kuschelte Haven sich neben Iain auf den Rücksitz und versuchte gegen die Angst anzukämpfen, die an ihr nagte. Während der Wagen auf Manhattan zuraste, beobachtete sie, wie die Gebäude auf der anderen Seite des East River langsam größer wurden, bis sie direkt neben dem Taxi aufragten, monströse Schatten, verziert mit glitzernden Lichtern. Die Stadt war wunderschön, aber sie waren hier nicht sicher. Haven hatte das Gefühl, dass ihnen unzählige Blicke folgten, während sie die Stadt durchquerten. Auf der Straße durch den verlassenen, winterlichen Central Park rechnete sie sogar fast mit einem Hinterhalt. Ein Hindernis würde die Straße versperren. Der Taxifahrer würde in die Bremsen gehen, und dunkel gekleidete Gestalten würden hinter den schneebedeckten Bäumen hervorstürmen. Sie umklammerte Iains Hand und vergrub ihr Gesicht an seiner kaschmirumhüllten Schulter. Doch es passierte nichts. Sie erreichten sicher ihr Ziel auf der Westseite des Central Parks – ein riesiges Gebäude mit Türmen, die einem Paar Hörnern glichen. Iain und sie eilten in die Lobby der Andorra Apartments. Haven hatte den Kragen ihres Mantels hochgeschlagen, und Iain trug eine Baseballkappe, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Im siebzehnten Stock klopften sie an eine Tür.
    »Kommt rein, kommt rein!« Frances Whitman strahlte sie an. Die fröhliche blonde Frau in den Dreißigern hatte in einem ausgeleierten Flanellpyjama die Tür ihrer opulenten Wohnung geöffnet. Sie wirkte ein bisschen wie ein einfacher Bauer, der einen Palast geerbt hatte. »Ich freue mich so, dass ihr da seid! Ohne Gesellschaft kann es in dieser riesigen Wohnung ganz schön einsam werden.«
    »Iain, ich möchte dir Frances vorstellen, meine …« Haven hielt inne. »Was, würdest du sagen, sind wir eigentlich, Frances?«
    »Cousinen dritten Grades, um ein Leben verschoben.« Frances zwinkerte Iain zu. Haven und sie hatten sich achtzehn Monate zuvor kennengelernt, als Haven mehr über ihr früheres Leben als Constance Whitman herausfinden wollte. Zu ihrem Erstaunen hatte sie erfahren, dass eine entfernte Verwandte von Constance noch immer in Manhattan lebte – und dann, zu ihrem noch größeren Erstaunen, dass Frances sogar die Wohnung geerbt hatte, in der einst Constances Eltern gelebt hatten. Das letzte Mal hatte Haven bei Iains Beerdigung in Manhattan mit Frances gesprochen, aber als Haven sie nun aus heiterem Himmel angerufen hatte, war Frances’ Reaktion so herzlich gewesen, als wäre Haven tatsächlich eine Verwandte, die sie sehr lange nicht mehr gesehen hatte.
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen«, sagte Iain und nahm seine Kappe ab.
    »Oho, der sieht ja zum Anbeißen gut aus!«, informierte Frances Haven in vernehmlichem Flüstern. »Kein Wunder, dass du in jedem deiner Leben aufs Neue nach ihm suchst. So was würde ich mir auch nicht durch die Lappen gehen lassen.« Sie wandte sich

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