Alles Ist Ewig
noch sehr jung gewesen, vielleicht acht oder neun. Haven spürte, wie Panik Besitz von ihr ergriff, und hoffte, dass dem kleinen Mädchen nichts zugestoßen war.
»Bis vor zehn Jahren wurden Kinder überhaupt nicht in die Ouroboros-Gesellschaft aufgenommen«, erklärte Phoebe. »Bis auf eine oder zwei Ausnahmen durften sie noch nicht mal das Gebäude betreten. Dann, von einem Tag auf den anderen, hieß es plötzlich, die OG wolle anfangen, Kinder im Alter von neun Jahren anzuwerben.«
»Stimmt das?«, wollte Haven von Iain wissen. »Du musst doch ein paar von den Kindern begegnet sein, als du noch Mitglied warst.«
»Klar«, antwortete Iain. »Aber das waren eben Kinder. Damals hab ich mich mehr für das interessiert, was die Erwachsenen da so trieben. Ich bin nicht auf die Idee gekommen, dass ein Haufen Neunjähriger eine große Gefahr für die Welt darstellen könnte.«
»Im Moment machen wir uns mehr Gedanken darüber, ob die Kinder selbst in Gefahr sind, Mr Morrow«, erklärte Phoebe. »Allein im ersten Jahr hat die Ouroboros-Gesellschaft zwanzig Kinder rekrutiert. Wir haben versucht, Kontakt zu den jungen Mitgliedern herzustellen. Sie sind am Leben – das wissen wir ganz sicher –, aber es ist unmöglich, mit einem von ihnen zu sprechen. Alle OG-Kinder werden auf ein Internat nördlich der Stadt geschickt. Es heißt Halcyon Hall. Die Sicherheitsvorkehrungen dort sind unmöglich zu umgehen, und soweit ich weiß, lassen sie die Kinder nur ein einziges Mal im Jahr nach New York fahren – an ihrem Geburtstag. Sogar die Eltern weigern sich, Auskunft über die OG zu geben. Wahrscheinlich wurden sie bestochen.«
»Und was, glauben Sie, ist Adams Plan?«, fragte Haven.
»Wir vermuten, dass er sich eine Art Armee aufbauen will. Kinder sind leicht zu beeinflussen, und die, die der Magos rekrutiert hat, sind keine gewöhnlichen Kinder. Sie verfügen alle über erstaunliche Fähigkeiten. Wir wissen nicht, auf welche Weise er die Kinder benutzen will – oder wie viel Schaden sie anrichten können. Aber wir wissen ganz sicher, dass die ersten von ihnen jetzt volljährig werden. Und das macht uns Sorgen.« Sie richtete ihren kühlen Blick auf Iain. »Begreifen Sie jetzt, warum wir nicht länger damit warten können, uns um den Magos zu kümmern? Was auch immer er da in Halcyon Hall treibt, es muss aufhören.«
»Verstehe«, entgegnete Iain. »Aber mir ist immer noch nicht klar, warum Sie dafür Haven in Gefahr bringen müssen. Es muss doch einen anderen Weg geben, die Ouroboros-Gesellschaft zu zerstören. Ich kann Ihnen dabei helfen. Ich werde alles tun, was nötig ist.«
Ein Hauch von Ärger flackerte in den Augen der Frau auf. »Verzeihen Sie meine Offenheit, Mr Morrow, aber ich glaube, Sie hatten Ihre Chance. Wir haben nämlich auch Sie beobachtet. Wir wissen, dass es Ihnen nicht gelungen ist, die Gesellschaft zu zerstören, als Sie das letzte Mal in New York waren. Wie kommen Sie darauf, dass es dieses Mal anders sein könnte? Wenn ich denken würde, dass wir auch ohne Haven weiterkämen, dann würden wir das mit Sicherheit versuchen. Doch ich musste tatenlos dabei zusehen, wie der Magos eine meiner eigenen Schwestern ins Verderben getrieben hat. Und Sie haben selbst miterlebt, was mit Leuten geschieht, die zu viel Zeit mit ihm verbringen. Niemand außer Haven kann uns helfen.«
Iain schwieg, aber Haven sah ihm an, dass er noch immer alles andere als überzeugt war.
»Und darum«, fügte Phoebe hinzu, »möchte ich dir folgendes Angebot machen, Haven. Du hilfst uns dabei, den Magos zu ködern, und dafür helfe ich dir, deinen Freund zu finden. Bist du einverstanden?«
»Ja«, sagte Haven. »Ich helfe euch.«
Phoebe erhob sich von ihrem Sessel. »Dann folgt mir bitte.«
KAPITEL 16
K urz darauf fanden sie sich draußen unter dem Sternenhimmel wieder. Das Oberlicht auf dem Dach leuchtete wie Bernstein. Phoebe führte sie um das Fenster herum auf einen kleinen Wasserturm auf Stahlstelzen zu, der in einer dunklen Nische aufragte. Sie stieg eine kleine Leiter hoch und öffnete eine Tür, die in die Seite der runden Holzkonstruktion gesägt worden war.
»Hier führen Sie Ihre Reisen in frühere Leben durch?«, fragte Haven, deren Zähne vor Kälte klapperten. Wenn sie gewusst hätte, dass sie nach draußen gehen würden, hätte sie ihren Mantel zurückverlangt. Als sie das obere Ende der Leiter erreicht hatte, konnte sie auf die riesige Stadt unter sich hinabblicken. Hunderte von Wassertürmen standen auf
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