zu über den Weg. Heute Morgen durfte ich ihm helfen, einen Ertrunkenen anzulanden und in einen Zinksarg zu wuchten.«
»Lass mich raten: einen Afrikaner, einen Bootsflüchtling.« Sie zog sich die Schwimmflossen von den Füßen, warf sie zur restlichen Ausrüstung. »Ich möchte wetten, dass Roman ihn erst ein paarmal mit dem Boot überfahren hat, bevor er ihn aus dem Wasser holte.«
Ich dachte an die Schnitte im Rücken des Toten, sagte aber nichts. Manche Sachen will man sich nicht vorstellen und schon gar nicht glauben.
»Hör auf«, sagte ich. »Warum sollte er das tun?«
»Na, um sicherzugehen, dass der arme Teufel tot ist.«
»Was soll das denn für einen Sinn ergeben?«
»Weil es nur für die Anlandung von Leichen Geld gibt, Kristof. Hast du das nicht gewusst?«
Hatte ich nicht. Und fand diese Neuigkeit verstörend.
»Bring Flüchtlinge lebend an Land, und du kriegst gar nichts, bestenfalls eine Anklage wegen Schleuserei.«
Roxanne löste das Tau, das uns an die Boje band, schwang sich in den Sitz und startete den Motor.
»Setz dich«, befahl sie.
»Was ist das für eine beschissene Bestimmung?«, rief ich über das Aufheulen des Motors hinweg und versuchte, mir die Konsequenzen für Begegnungen auf hoher See auszumalen.
Ein Boot voll Flüchtlinge - wertlos, nichts als Ärger. Ein Haufen treibender Leichname dagegen ...
»Das ist keine Bestimmung. O nein, Kristof. Wie sähe das denn aus? Es ist nur so, dass das >Instituto de la investigacion de la migracion< seine Studien bevorzugt an toten Migranten durchführt. Deshalb zahlt es dafür. Lebende Migranten lassen sich, so der Eindruck, nicht vernünftig erforschen.«
»Ja, aber das Resultat ist doch ...«
»Empörend, ja?« Roxannes Augen blitzten. »Soll ich dir was sagen, Kristof? Es interessiert niemanden, entlang dieser Küsten. Niemanden, hörst du? Wir sind die Einzigen, die etwas dagegen unternehmen.«
»Und ... was genau?«, fragte ich, doch sie schüttelte nur unwillig den Kopf, schob den Gashebel zurück, und das Schlauchboot glitt längsseits an dem weißen Fischerboot entlang.
»Roman!«, bellte sie, und der Zigeuner kam aus seiner Kajüte und blickte gelassen auf uns herunter.
»Roman, ich hätte nicht übel Lust, dich wegen Wilderei anzuscheißen.«
Roman hielt ein Krabbenbein in der Hand, dessen harte Schale er nun mit den Zähnen knackte.
»Das sagt die Richtige«, entgegnete er und begann, das Krabbenfleisch aus dem Bein herauszuzutzeln.
»Jemand war an meinen Reusen«, sagte sie.
»Bestimmt Roman«, sagte Roman, immer noch gelassen. »Reusen leer, Haken leer, Netze leer, schuld ist immer Roman. Und nicht die Überfischung durch unsere eingeborenen hombres de honor. Roman, Roman, Roman. Dieser Teufel muss überall sein, überall zugleich.« Er warf die leere Hülle über Bord, bückte sich, kam mit der Krabbe wieder hoch, packte ein weiteres Bein, das ... sich '" noch ... bewegte, und rupfte es ab.
»Ich sag nur eins«, rief Roxanne drohend, »lass dich nicht von mir erwischen!«
Roman biss völlig ungerührt auf die Beinschale, bis es knackte.
»Roman lässt sich nicht erwischen«, meinte er und drehte sich gleichgültig um. »Das ist ja das Unangenehme an ihm.« Damit verschwand er wieder in seiner Kajüte und Roxanne riss wütend das Gas auf.
Das Feuer loderte wieder, die Trommler trommelten, Alma schüttelte Haar und Schellenreif, Rolf intonierte >DieFlatulenz der Wale
»Na, wie läuft's?« Roxanne kam, einen Karton voll Einkäufe in den Armen, rückwärts durch die Kabinentür. Sie trug eine weiße Bluse mit hohem Kragen, und dazu einen schwarzen Lederrock, der meine neue, gerade erst im Erblühen begriffene Obsession für Gummi im Keim zu ersticken drohte.
»Allesnach Plan«, behauptete ich und konzentrierte mich mühsam wieder darauf, die Lammkeule mit Knoblauch und Salbei zu spicken. »Die Keule kann gleich schon in den Ofen.«
Dann seufzte ich. Wir waren