Alles, was er wollte: Roman (German Edition)
so viel Ehrgeiz zusammenbrechen«, sagte ich, bemüht, meine Stimme zu beherrschen.
In Ashers Blick flackerte flüchtig etwas wie Belustigung auf. »Sind wir denn nicht alle ehrgeizig?« fragte er.
»Doch, wahrscheinlich«, meinte ich.
Er sah auf seine Taschenuhr. »Ich muß wirklich gehen.« Er stand auf. »Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundschaft.«
»Was haben Sie in den Thanksgiving-Feiertagen vor?« fragte ich, ebenfalls aufstehend.
»Mr. Ferald hat mich freundlicherweise …«
»Ich verstehe.« Ich verstand in der Tat nur zu gut. (Aber hätte Ferald Asher auch eingeladen, wenn er gewußt hätte, daß er Jude war? Ich konnte es mir nicht vorstellen.) »Wirklich schade, daß Ihr Bruder nicht hier sein kann.«
»Ich bete für seine gesunde Heimkehr.«
Ich brachte Asher ins Vestibül hinaus. Nachdem ich Abigail herbeigerufen hatte, brachte diese ihm Hut und Mantel. »Kann ich Sie vielleicht im Auto nach Hause bringen?« fragte ich. »Ich habe diese Woche einen zweiten Wagen.«
»Das ist sehr freundlich, danke«, versetzte Asher. »Aber ich habe selbst ein Auto.«
»Ja, richtig, richtig«, sagte ich.
»Ich hoffe, Sie kommen bald einmal zu mir ins Hotel, damit ich mich für Ihre Freundlichkeit revanchieren kann«, sagte er höflich.
»Gern«, antwortete ich und öffnete die Tür.
Asher trat in die sternklare Nacht hinaus. Ich sah zu, wie er seine Handschuhe überzog.
»Sie sollten mit dem Verwaltungsrat nicht spielen«, bemerkte ich.
Das Licht der Straßenlampe fiel auf sein Gesicht, als er mich ansah. »Wie bitte?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie sehr lange in Thrupp bleiben würden«, sagte ich. »Ihr Ehrgeiz und Ihr geistiger Anspruch sind zu hoch. Thrupp ist ein rückständiges Provinzcollege, das auf die Dauer für Sie kaum von Interesse sein dürfte. Aber der Verwaltungsrat nimmt diese Wahl sehr ernst. Es geht um ein Amt auf Lebenszeit. Ich bezweifle, daß Sie es auf Lebenszeit behalten würden.«
Asher schwieg einen Moment, als überlegte er sorgfältig seine Worte. »Das ist meine Angelegenheit«, sagte er.
»Und auch meine«, entgegnete ich.
»Gute Nacht«, sagte Asher. Er wandte sich von mir ab und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen.
»›Hättst nicht mit Stolz / Und blinder Eitelkeit, da gar nichts sicher, / Mein Warnen du mißachtet‹« , rief ich ihm nach, gewiß, daß gerade er Milton auf Anhieb erkennen würde.
Ich schloß die Tür. Ich lächelte. Ich glaubte nicht, daß der Professor aus Yale je wieder in meinem Haus zu Gast sein würde.
Ich war so erregt und beschwingt von meiner pikanten kleinen Neuigkeit, daß ich die ganze Nacht kaum schlief. Die verschiedensten Inszenierungen gingen mir durch den Kopf. Sollte ich Ashers Glaubenszugehörigkeit Ferald gegenüber beiläufig im Gespräch erwähnen? Wie ließ sich das am besten bewerkstelligen? Ich mußte irgendwie eine Begegnung mit dem Mann herbeiführen. Ja, so würde ich es machen. Gab es irgendeinen Vorwand, unter dem ich ihn anrufen könnte?
Am Thanksgiving-Tag waren wir in der Kirche, später zum Essen im Haus der Witwe Bliss. Unsere Gespräche drehten sich um den abwesenden William. Nicky und Clara heiterten die Runde mit einer Pantomime auf, die sie einstudiert hatten. Nicodemus spielte einen Indianer, glückselig darüber, daß er einen Tomahawk und einen Dolch schwingen durfte. Clara war eine Quäkersfrau, die als einzige ein Familienmassaker überlebt hatte. Sie blühte auf in ihrer Rolle, vor allem in jener Szene, in der sie ihre christliche Mildtätigkeit demonstrieren konnte, indem sie den armen Nicky bekehrte, der kreuzunglücklich darüber war, daß er sein schönes Lederhemd gegen einen ganz normalen Pullover tauschen mußte.
In einer kurzen Pause fiel mir die Geschichte mit dem Gemälde ein, von dem Keep gesprochen hatte, und Williams etwas wirre Reden nach der Einnahme des Morphiums. Ich beugte mich zu Etna, um sie nach dem Bild zu fragen. Ob sie jemals einen Legny besessen habe.
»Einen was?« fragte sie zurück.
»Einen Legny. Das ist ein ziemlich bekannter einheimischer Maler. Er malt impressionistische Landschaften. Hin und wieder auch Porträts. Du wirst doch Claude Legny kennen, Etna.«
»Ja«, antwortete sie zerstreut.
»Und hast du jemals ein Bild von ihm besessen?«
»Ich persönlich? Ein Bild von ihm?«
»Ja. Du persönlich. Einen Legny.«
»Was für eine Frage!« sagte sie.
»Und ich muß sagen«, fuhr ich hastig fort, da Nicky und Clara im Begriff waren, ihr
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