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Alles - worum es geht (German Edition)

Alles - worum es geht (German Edition)

Titel: Alles - worum es geht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Teller
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Man musste an etwas denken, unablässig, sonst verschwand es und kam nie wieder. Aber das mit der Katze war schlimmer, denn die Katze hatte ihm gehört. Sein Vater hatte vor allem der Mutter gehört.
    Noch lange nachdem der Vater weggegangen und nicht zurückgekehrt war, hatte die Mutter Tränen im Gesicht gehabt. Ihre Augen waren gerötet, und ihre Nase sah aus, als wäre sie ständig erkältet. Und als dann die Katze des Jungen hinausging und nicht mehr wiederkam, da war er genauso erkältet. Ganz schlimm erkältet, sodass die Tränen ihm übers Gesicht strömten. Die Mutter sagte ihm immer wieder, da könne man nichts machen. Die Katze sei von einem Auto überfahren worden und tot und könne nicht mehr zurückkommen, und es sei ohnehin das Beste, denn eigentlich durften sie überhaupt keine Katze in der Wohnung halten, die Nachbarn hätten sich über den Geruch beschwert, die beschwerten sich ohnehin schon über so vieles, und das Leben war auch ohne das schwer genug. Ständig sagte die Mutter ihm das, dass die Katze unters Auto gekommen sei und nie mehr zurückkommen könne, dass er selbst sie ja gesehen habe, doch das stimmte nicht, denn die Katze, die sie ihm am Straßenrand gezeigt hatte – mit einer blutigen Nase und einem merkwürdig verdrehten Körper und einer Ameise, die über die lang heraushängende blaue Zunge krabbelte –, das war nicht seine Katze. Das wusste der Junge, denn seine Katze würde niemals mit so verdrehtem Körper und heraushängender Zunge herumliegen. Das hatte sie noch nie gemacht, sie war ganz einfach nicht die Art Katze, die so etwas tat. Das sagte er seiner Mutter, aber da war sie auf einmal auch erkältet, und der Junge mochte es nicht, wenn die Mutter erkältet war, deshalb sagte er nichts weiter. Aber er wusste ganz genau, wer ihm seine Katze weggenommen hatte, diese Leute nämlich, die zu Besuch gekommen waren und Fragen gestellt und seiner Mutter den Kaffee weggetrunken und so viele von seinen Lieblingskeksen gegessen hatten, dass nur einer übrig geblieben war. Die ganze Zeit hatten sie nur darauf gewartet, dass er vergessen würde, an seine Katze zu denken, in dem Moment hatten sie sie gestohlen, und sie kam nie zurück.
    Jetzt hatte er den Baum, und das war einfacher, denn der Baum stand die ganze Zeit still im Hof, sodass der Junge ihn immer beobachten konnte. Den ganzen Tag lang saß der Junge am Fenster und sah den Baum an, durch Flusslandschaften, wenn es regnete, und durch trockene Staublandschaften, wenn die Sonne schien. Zwar versuchte die Mutter mehrmals, ihn vom Fenster wegzubekommen. Anfangs, als der Junge und der Baum gerade erst Freunde geworden waren, tat die Mutter nichts. Damals kam oft ein Gast zu ihr zu Besuch, ein stiller Gast, der meist spätabends kam und wieder ging, bevor es Morgen wurde und der Junge aufstand und frühstückte. Doch eines Tages kam der Gast nicht mehr, und die Mutter war wieder erkältet. Dieses Mal war sie jedes Mal erkältet, wenn der Junge in ihre Nähe kam. Er war dahintergekommen, weil ihm aufgefallen war, dass ihre Erkältung immer weg war, wenn sie mit den anderen Müttern im Hausflur zusammenstand oder wenn sie einkaufen ging und er ihr durchs Fenster nachsah. Der Junge dachte, dass er vielleicht auch an den Gast hätte denken müssen und dass er es versäumt hatte. Also war es seine Schuld, dass der Gast verschwunden und die Mutter erkältet war. Da beschloss er, von nun an ständig auf den Baum aufzupassen. Doch genau da beschloss seine Mutter, er solle überhaupt nicht mehr auf den Baum aufpassen. Lange war er danach gezwungen, so zu tun, als lese er in den bunten Bilderbüchern, die sie ihm gab, während er in Wirklichkeit aus dem Augenwinkel immer den Baum beobachtete. Damals versuchte die Mutter auch, ihn ins Wohnzimmer zu locken, indem sie ihm Kuchen oder anderes versprach, wenn er sich auf den Boden setzte und die Holzklötze mit Buchstaben darauf zu Wörtern zusammensetzte, auch wenn er sich nicht sicher war, wie das ging, und es sowieso viel lustiger war, die Klötze zu einem Turm übereinanderzustapeln, der immer höher wurde, höher als der Couchtisch und manchmal sogar höher als der Esstisch, bis er schließlich mit gewaltigem Lärm einstürzte.
    Schließlich gab seine Mutter auf und ließ ihn in Frieden, sodass er so lange dasitzen und den Baum beobachten konnte, wie er wollte, er konnte mit dem Baum sprechen und ihm Geschichten erzählen, seinen Geschichten lauschen, die meist von dem Tag handelten, an dem

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