Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
der Vergewaltigung mit der Vogel-Strauß-Technik – Kopf in den Sand“, schreibt die Wochenzeitung Al-Ahram Weekly dazu. „Unsere Gesellschaft verwandelt Vergewaltigungsopfer in Prostituierte“, erklärt auch Yousra, die Hauptdarstellerin, in zahlreichen Interviews: „Es ist immer die Schuld der Frau, entweder wegen der Art, wie sie angezogen ist, oder weil sie zu spät unterwegs war.“ Die ägyptische Psychologin Abier Al-Barbary ist voll des Lobes für den Eisbrecher-Effekt der Serie: „Yousra wird als Idol für viele arabische Frauen mit dieser Serie die gesellschaftliche Mauer des Schweigens zum Thema Gewalt gegen Frauen einreißen“, hofft sie.
Vielleicht noch klassischer für den arabischen Umgang mit Vergewaltigungsopfern ist die zweite Hauptdarstellerin, die junge Assistenzärztin Hanan, die aus dem ländlichen Oberägypten stammt. Ihre Familie zwingt sie dazu, den ganzen Fall zu verschweigen – aus Angst, ihre Ehre zu verlieren. Ihr Bruder fasst das mit einem „es wäre besser gewesen, sie hätten dich umgebracht“ zusammen. Und auch der Vater resigniert vor dem gesellschaftlichen Ehrbegriff und zitiert ein ägyptisches Sprichwort: „Wenn das Huhn zum Schlachten festgehalten wird, kann es nichts mehr machen.“
Manchmal bringen die Ramadan-Telenovelas gesellschaftliche Verschlusssachen in die öffentliche Diskussion. In anderen Fällen passen sie auffällig gut, um das Volk auf potenzielle Pläne der arabischen Regime vorzubereiten. Die dieses Jahr wohl beliebteste Ramadan-Serie Ägyptens, „König Faruq“, erzählt die Lebensgeschichte des letzten Königs am Nil, der 1952 von den freien Offizieren unter Führung des ersten ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser gestürzt wurde. Bisher war Faruq in der offiziellen republikanischen ägyptischen Geschichtsschreibung immer als fett, dumm und dekadent porträtiert worden. Die Serie zeichnet erstmals ein menschliches und sympathisches Bild von Ägyptens Monarchie. Kein Zufall, glaubt der ägyptische Internetblogger Wael Abbas. „Manchmal werden die Serien produziert, um die öffentliche Meinung zu einem Thema auszuloten“, sagt er. „Das heutige Ägypten erlebt gerade eine Phase, in der die Vererbung der Macht ein durchaus wahrscheinliches Szenario ist, ganz wie zu Zeiten der Monarchie.“ Tatsächlich wird seit Monaten in Kairo heftig darüber debattiert, ob der 79-jährige ägyptische Präsident Hosni Mubarak versuchen wird, sein Amt an seinen Sohn Gamal zu vererben. Damit wäre Ägypten nach Syrien, in dem Baschar Al-Assad seinem Vater Hafiz Al-Assad gefolgt ist, die zweite arabische Republik, die eine präsidiale Familienthronfolge einführt. Nach der Assad- könnte die Mubarak-Dynastie vor der Tür stehen. Da sollte wohl eine royal wohlwollende Serie zur Primetime schon mal den Boden bereiten.
Doch es gibt auch Fälle, in denen die arabischen Autoritäten allzu kontroverse Serien ausbremsen. So geschehen dieses Jahr mit der 30 Folgen umfassenden kuwaitischen Produktion „Sünden haben ihren Preis“. Dort sollte eigentlich so manche heuchlerische Doppelmoral der Gesellschaften am Arabischen Golf, besonders in Kuwait, aufgegriffen werden. Eines der Themen war die in der schiitischen Religion institutionalisierte kontroverse Heiratsform der „Muta’a“. Eine Art „Ehe auf Zeit“, erlaubt sie dem Paar, für nur einige Stunden bis hin zu einigen Jahren, aber auf jeden Fall begrenzt, den Bund zu schließen. Eine ganze Litanei von Beschwerden kuwaitischer Geistlicher und Parlamentsabgeordneter führte dazu, dass der in Dubai ansässige Satellitensender MBC die Serie nur drei Tage vor Beginn aus dem Programm nahm. „Sie porträtieren unsere Mädchen als Prostituierte“, lautete etwa der Vorwurf von Abdul Wahid Khalfan von der „Schiitischen Allianz für Gerechtigkeit und Frieden“. Andere warfen ein, dass die Serie zu Zeiten der gegenwärtigen sunnitisch-schiitischen Spannungen noch mehr Öl ins Feuer gieße. „In der Serie geht es um Menschen, die die Religion falsch interpretieren. Es geht nicht um die Institution der Muta’a-Ehe als solche, sondern darum, wie sie ausgenutzt wird“, hieß es in einer Erklärung des Senders. Dann verschwand „Sünden haben ihren Preis“ in der Versenkung.
Im Irak wollen die Fernsehzuschauer alles andere als Reality-TV. Offensichtlich haben sie genug von den mörderischen sunnitisch-schiitischen Spannungen, die sie jeden Tag auf der Straße erleben. In Bagdad sind Ramadan-Komödien hoch im
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