Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Israel beleidigt wird“, schlussfolgert er.
Der Ärger der gläubigen Menschen ist verständlich, der der Regierungen aber ein politisches Spiel, den islamischen Trend auf der Straße für sich zu nutzen. So kam es dem Regime in Syrien sicherlich nicht ungelegen, einmal davon abzulenken, dass es im Mordfall des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Al-Hariri von UN-Ermittlern der Mittäterschaft bezichtigt wird. Und der iranischen Regierung ist es mit Leichtigkeit gelungen, neben dem Atomstreit eine weitere Front zu eröffnen, mit der sie meint, das Volk hinter sich zu bringen und vergessen zu lassen, dass von der von Präsident Mahmud Ahmadinedschad einst großspurig angekündigten Umverteilung von Reich zu Arm und den angeblichen Kampagnen gegen die Korruption nur noch wenig zu hören ist.
Und dann sind da noch die Islamisten außerhalb jedes formellen politischen Systems. Sie haben die Steilvorlage aus Dänemark mit Freuden angenommen und per Volleyschuss ins Tor befördert. In Syrien hatten sie die Proteste informell mitorganisiert. Es war eine Möglichkeit für die dortigen Muslimbrüder, im Schatten der Karikaturenaffäre ein wenig öffentlichen Raum zurückzugewinnen. Im Libanon hatten sie in der Hochburg der sunnitischen Radikalen, der Hafenstadt Tripolis, Busse gechartert, um ihre Anhänger zur dänischen diplomatischen Vertretung in Beirut zu bringen. Die Botschaft der Islamisten an den Westen ist deutlich: Wenn ihr einen Dialog wollt, dann führt ihn mit uns, denn nicht die Regime, sondern wir kontrollieren die Straße. Im Buhlen um die Gunst der Gläubigen schneiden die Islamisten allemal besser ab als die Regierungen. Sie können vom Gefühl der Menschen am besten profitieren, dass man ihnen nicht nur einen vernünftigen Lebensunterhalt und politische Freiheiten verwehrt, sondern nun auch noch das Letzte, was sie haben, angreift: den Glauben an Gott und seinen Propheten.
Es steht keine konkrete politische Forderung im Raum, deren Erfüllung den Karikaturenstreit schlichten könnte. Und genau das macht die Angelegenheit gefährlich. Der ägyptische Journalist Eissa sarkastisch: „Geben wir uns erst zufrieden, wenn die Dänen kollektiv zum Islam übergetreten sind?“
Kulturkampf im Kinderzimmer
(Kairo, den 9. April 2006)
Friedlich blicken die Puppen und Stofftiere von den Regalbrettern. Brettspiele, Puzzles und Spielbausätze aller Art stapeln sich bis unter die Decke. Top Toys, der Spielzeugladen im Zentrum Kairos, sieht auf den ersten Blick nicht gerade aus wie eine Frontlinie im Kampf der Kulturen. Und doch ist hier bei genauerem Hinsehen die Suche nach der eigenen Identität und der Versuch, sich vom Westen abzusetzen, allgegenwärtig.
Eine ganze Regalfront ist der Puppe „Fulla“ gewidmet. Als Gegenschlag zum Barbie-Imperialismus ist sie inzwischen das meistverkaufte Girl der arabischen Welt. Mit ihren dichten dunklen Haaren und ihren tiefbraunen Augen stellt Fulla geradezu die Antithese zur blonden, westlichen Barbie-Ikone dar.
Doch es ist vor allem das konservative Kleiderset, das Fulla von ihrer westlichen Konkurrentin unterscheidet. Für den Gang nach draußen bedeckt Fulla ihre Haare und den Rest ihres Körpers im saudischen Stil mit einem schwarzen Abaya-Umhang. Und selbst zu Hause geht der Rock züchtig bis zu den Knöcheln und die Bluse reicht zum Handgelenk. Ob Indoor- oder Outdoor-Modell, jeder Fulla ist auch ein kleiner rosa Gebetsteppich in halber Taschentuchgröße beigelegt. „Sie ist ehrlich, liebenswert, fürsorglich und respektiert ihre Eltern“, lautet die Charaktervorgabe für den arabischen Mädchenhit der syrischen Erfinderfirma, die sich kurioserweise „New Boy Toys“ nennt.
Said Mahgub, der ägyptische „Top Toys“-Spielzeugverkäufer mit Prophetenbart, ist jedenfalls begeistert, besinnen sich die Kunden doch gerade in den letzten Monaten immer mehr des Eigenen. „Seit dem dänischen Karikaturenstreit läuft der Fulla-Verkauf bestens“, sagt er. Der Trend war bereits zuvor zu bemerken, nun aber sei Barbie endgültig megaout.
„Fulla ist schlichtweg eine von uns“, heißt es bei der ägyptischen Firmenvertretung der islamisch korrekten Puppe. „Es geht nicht nur um Kleidung. Es geht auch um ihr Verhalten und ihre Moral. Fulla benimmt sich wie ein gutes orientalisches Mädchen“, erklärt Walid Kamal, der junge ägyptische Fulla-Verkaufsmanager. Barbie habe ihren Boyfriend Ken, Fulla sei single. „Und wenn Fulla eines Tages doch noch ein
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