Alma Mater
seid beide noch sehr jung, und sie ist noch nie für längere Zeit aus Virginia fort gewesen.«
»Sie ist flexibel. Sie schafft das.«
»Du wirst auch ihre Wünsche mit ihr abklären müssen. Möchte sie einen Beruf ergreifen? Du weißt, daß das die Beziehung von deiner Mutter und mir verändert hat. Sie hat auf ihre Ballettkarriere verzichtet, um mich zu heiraten. Anfangs schien sie sich wohl zu fühlen, aber mit den Jahren, vor allem in den mittleren, wurde sie mir gegenüber sehr ablehnend. Ich möchte nicht, daß es dir genauso ergeht.«
»Ja Sir, ich verstehe. Ich werde es abklären, ich spreche mit ihr. Sie wird nicht etwas sagen, nur weil ich es hören will. Sie ist ein sehr ehrlicher Mensch.«
»Das ist wahr. Versteh mich richtig, ich will deinem Plan keinen Dämpfer verpassen. Ich war auch mal jung.« Er lächelte matt. »Ich denke nur voraus. Scheidung zerstört Karrieren. Seid ihr erst verheiratet, dann bleibt verheiratet, egal was passiert. In der besten aller möglichen Welten bleibt eure Liebe erhalten, bleibt ihr euch treu, aber solltest du…«, er räusperte sich, »…fremdgehen, dann muß die Bindung stark genug sein, um das zu verkraften. Glaub mir, mein Sohn, eine Scheidung vernichtet die Karriere, besonders in unserem Metier. Du mußt über jeden Vorwurf erhaben sein, das heißt, wenn du dein Ehegelöbnis nicht Wort für Wort einhalten kannst, mußt du diskret sein.«
Mit diesem Ratschlag hatte Charly nicht gerechnet. »Mit einer Frau wie Victoria, warum sollte ich eine andere Frau auch nur ansehen?«
Thomas lachte. »Da ist was dran, mein Sohn.«
»Eins noch. Was ist, wenn sie fremdgeht?«
Eine Spur von Sorge huschte über das Gesicht des älteren Mannes. »Was dem einen recht ist, ist dem anderen billig? Ich glaube nicht, daß Frauen… hm …ich weiß nicht. Ich wollte sagen, sie erliegen einem solchen Verhalten nicht so häufig wie die Männer, aber vielleicht haben sie nicht so viele Gelegenheiten. Es steht mir nicht an, etwas dazu zu sagen.«
»Ich möchte vor Weihnachten mit Mr. Savedge sprechen.
Ich will vorher noch ein paar Sachen klären, und du hast mir eine Menge zu bedenken gegeben. Ich möchte aber mit Vic sprechen.«
»Hast du sie um ihr Jawort gebeten?«
»Nein. Ich mußte zuerst mit dir reden, Dad. Und ich muß mit ihrem Vater sprechen. Ich hoffe, daß sie ja sagen wird, wenn ich sie frage. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn sie nein sagt.«
Mit einer wegwerfenden Handbewegung tat Thomas die Vorstellung einer Zurückweisung ab. »Charly, ich glaube nicht, daß du allzu vielen Frauen begegnen wirst, die nein zu dir sagen würden. Du mußt wissen, Sex bringt euch zusammen, aber er hält euch nicht zusammen. Die Ehe ist eine Partnerschaft. Und wenn Kinder kommen, seid ihr wahrhaft fürs Leben gebunden. Dein und ihr Blut. Versteh mich nicht falsch. Ich will dich nicht antreiben, Kinder in die Welt zu setzen, aber ein Mann ist kein Mann, solange er nicht Vater ist. Ihr Kinder habt mir das größte Glück meines Lebens beschert.«
Verblüfft – denn sein Vater öffnete so selten sein Herz – stammelte Charly: »Dad, ich will mich bemühen, dir nachzueifern.«
Thomas, der sich nach seinem Gefühlsausbruch wieder in der Hand hatte, lachte. »Daß daraus nur kein Übereifer wird.« Er sah über den blonden Schopf seines Sohnes hinweg auf die große Wanduhr gegenüber. »Es tut mir Leid, jetzt abzubrechen, aber Howard Nantes hat einen Termin bei mir. Ich hätte mehr Zeit einplanen sollen.«
Charly stand auf, sein Vater ebenfalls. Er ging um den Schreibtisch herum und packte seinen Sohn an den Schultern. »Deine Mutter und ich fahren zu dem Spiel. Wir nehmen Victoria mit, wenn es dir recht ist.«
»Danke, Dad. Sie fährt nach Hause. Sie möchte ihrer Mutter beistehen, nachdem Mr. Savedge wieder das ganze Geld verspekuliert hat.«
»Ich verstehe.« Thomas schüttelte den Kopf. »Wie bedauerlich. R. J. ist eine ganz wunderbare Frau, und solche Probleme hat sie nicht verdient.« Er fügte rasch hinzu: »War nicht respektlos gegen Frank gemeint. Er ist ein beherzter Mann. Hat bloß kein Händchen fürs Geschäft.«
»Ja, Sir.«
In Hochstimmung sang Charly auf dem ganzen Rückweg nach Williamsburg zu der Musik im Radio. Vic war von ihrer letzten Vorlesung zurück, und sie und Chris sonnten sich im Hof.
»Hey!« Er stürmte zu ihnen. »Ich führ euch zum Essen aus.«
»Was ist mit deinem
Weitere Kostenlose Bücher