Alma Mater
Mignon senkte die Stimme, »das einzige Mädchen von einsfünfundachtzig in Surry County. Ein paar Zentimeter davon sind ihre Titten.«
»Du hast ja ’ne Meise.« Vic war drauf und dran, ihr eine zu schallern.
»Mignon, da du so viel Energie hast, werde ich sie in nützliche Bahnen lenken.« R. J. gab ihr ein Paar Gartenhandschuhe. »Unkraut jäten.«
»Mom, ich soll doch heute Abend zu dem Spiel gehn.«
R. J. warf einen Blick auf die Wanduhr in Gestalt einer Plastikkatze, deren Augen und Schwanz sich bewegten. »Eine Stunde jäten, duschen, dann setz ich dich an der Schule ab.«
»Ich helf dir«, erbot sich Chris.
»Nein, Chris, du setzt dich hierher und genießt.« R. J. zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor.
»Danke, Mrs. Savedge, aber ich würde es genießen, den Garten zu jäten. Ich vermisse die Gartenarbeit.«
Vic, Chris und Mignon jäteten, Jinx bearbeitete mit einer kleinen Kralle den Boden. Dann brachte sie eine Lage reichhaltigen, sattbraunen Mulch auf.
»Deine Ohren sehen schon besser aus«, bemerkte Chris.
»Danke«, sagte Mignon. »Ich drehe die Stecker wohl hundertmal am Tag. Noch mal schönen Dank, daß du mir beim Kauf geholfen hast. Dir auch, Vic, obwohl du gräßlich gemein bist.«
»So, Mignon, und wie hast du eigentlich Hojo dazu gekriegt, dir die Ohrlöcher zu stechen?«, wollte Jinx wissen. Sie dachte sich, daß hinter der Geschichte mehr steckte, als Mignon erzählte.
»Hab sie gefragt.«
»Eine knappe Antwort von einer, die normalerweise weitschweifig erzählt«, bemerkte Jinx.
»Hojo hält sich für die absolute Modeexpertin. Du solltest mal das abgeschnittene Fransentop sehen, das sie zu bemalten Jeans, Cowboystiefeln und einer Mütze in der Farbe der Stiefel trägt. Lackiert sich die Fingernägel passend. Sie hat auch nicht immer einen BH an. Toll.«
»Du bist heute von Brüsten besessen.« Vic lachte.
»Sind schwer zu übersehen, wenn sie sich dir direkt entgegenstrecken. Ich meine, wo kannst du hingucken? Hojo hat ’nen scharfen Körper, und das weiß sie auch.«
»Du bist also einfach zum Empfangspult gegangen und hast gesagt, ›mach mir Löcher in die Ohren‹?« Jinx gedachte ihr früher oder später die Wahrheit zu entlocken.
»So ungefähr. Ich hab ihr gesagt, ich bin eine Ausgestoßene der Gesellschaft. Alle Mädchen in meiner Klasse haben Löcher in den Ohren, und Mom und Dad leben im finsteren Mittelalter, gleich nach dem Untergang Roms. Ich mußte sie mehrmals beknien, weil sie wußte, daß Mom nicht gerade begeistert sein würde, eher frostig à la Antarktis. Aber ich hab ihr gesagt, das hält nicht lange an. Mom ist ein sehr versöhnlicher Mensch, und ob sie vielleicht wollte, daß ich durch meine HighschoolErlebnisse fürs Leben verbogen bin? Selbstwertgefühl gleich null. Für immer. Schlechte Kerle.« Mignon schauderte.
»Seit wann fehlt es dir an Selbstwertgefühl?«, fragte Vic, während sie mit Vogelmiere kämpfte.
»Guck mal, wer da spricht.«
Vic ignorierte das. Chris stand auf, schnappte sich die Schubkarre und holte sie näher heran, da sie sich von ihr weg bewegt und ihren Weg mit Unkrauthaufen markiert hatten.
Jinx lauschte, als ein Motorboot einem Segelboot zututete. Ein Fahrzeug unter Segeln hat immer Vorfahrt.
»Was macht ihr denn, wenn euch wer anblitzt?« Mignon war mit Jäten hinter den anderen im Rückstand.
»Mich hat noch keiner angeblitzt«, sagte Vic. »Los, Mignon, halt dich ran. Du Faulpelz willst dich wohl am Busen der Natur ausruhn.«
»Gott, bist du witzig«, lästerte Mignon. »Marjorie Solomon wird es bestimmt wieder tun.«
»Dann guck nicht hin.« Jinx gab ihr diesen vernünftigen Rat.
»Setz eine Sonnenbrille auf«, empfahl Chris. Sie sammelte Unkrauthaufen auf und warf sie in die Schubkarre.
»Ja. Gute Idee. Ich kann alle sehen, aber sie wissen nicht, daß ich hingucke. Das ist so was von cool.«
»Ray Ban«, sagte Jinx. »Flott.«
»Ich setz sie auch unter der Dusche in der Turnhalle auf. Umgeben von Titten. Die richtig großen sind die schlimmsten, und Itsi Giorgianis hat Haare rund um die Warzen. Nicht auszuhalten! Ich würde sterben! Ich würde mich jeden Abend rasieren. Würde dabei riskieren, mir mit meiner eigenen Hand die Warze abzuschneiden.«
»Mignon, bitte!« Vic bewarf ihre Schwester mit Unkraut.
»Ist bloß persönliche Hygiene. Tante Bunny hat sich die Haare auf der Oberlippe und für den
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