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Alphavampir

Titel: Alphavampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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sondern auch die Pflicht, mich dem Experiment zu stellen.» Seine Miene wurde hart, da die Erinnerung keine angenehme war. Er lehnte sich gegen die Wand und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper. Je weiter sein Bericht fortschritt, desto leiser wurde seine Stimme und sein Blick immer verklärter. «Sie ketteten mich an und ich verwandelte mich. Als mein Brustkorb sich zu verformen begann, stieß Jarek mir ein Messer zwischen die Rippen, genau dort, wo ihn der Pfeil getroffen hatte und das Herz unter dem Brustkorb schlägt. Kurz bevor ich ohnmächtig wurde, glaubte ich wirklich zu sterben. Zu aller Verwunderung erwachte ich. Ich war schwach, fühlte mich krank, als hätte man mir das Herz bei lebendigem Leib aus dem Körper gerissen, aber es war eins, auf das ich verzichten konnte. Mein Wolf war verschwunden.»
    «Und der Vampir erwacht.» Angewidert rümpfte sie die Nase. Sie erhob sich, ging zu ihm auf die andere Seite des Raumes und stellte sich vor ihn, um ihm in die Augen schauen zu können. «Wie kann man sich freiwillig für ein Leben entscheiden, in dem man Blut trinken muss, um zu überleben?»
    «Wölfe jagen andere Lebewesen. Sie bringen sie zur Strecke und fressen sie, solang die Körper ihrer Beutetiere noch warm sind.» Er legte seine Hand unter ihr Kinn, damit sie ihn ansah. Seine Stimme war samtweich und siegessicher. «Sag mir nicht, du hast der Versuchung widerstanden? Deine Wölfin wird dich zur Jagd gezwungen haben.»
    Natürlich hatte er Recht. Die Jagd war etwas, das sie akzeptierte, aber nicht mochte. Wenn sie in Wolfsgestalt war, liebte Nanouk sie, sobald sie wieder ein Mensch war, widerte es sie an, Tiere zu töten. Nanouk setzte sich auf die Fensterbank, um sich seiner Berührung zu entziehen, weil sie ihr Verlangen erneut weckte, aber sie wollte wütend auf ihn sein, denn ihr gefiel ganz und gar nicht, was er sagte. Die Kälte des Morgens, die durch die Fugen kroch, fand ihren Weg unter Nanouks Langarmshirt. «Was ist mit Pavel? Ist er in Ungnade gefallen, weil er noch ein Werwolf ist? Oder ist er der Omegawolf?»
    «Ein Anwärter», sagte Kristobal lapidar. Er drehte sich zu ihr und lehnte sich mit der Schulter an die Wand an. «Wir ziehen schon eine Weile mit unserer Mitternachtsshow herum und haben ihn unterwegs aufgegriffen.»
    «Seid ihr anderen Gestaltwandlern begegnet?» Aufgeregt sprang sie von der Fensterbank. Sie spitzte ihre Ohren. Auf seiner Reise durch Alaska und Kanada hatte ihr Erzeuger keinen einzigen Werwolf getroffen, was vielleicht auch daran lag, dass sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.
    «Es gibt andere Werwesen da draußen, nur einige wenige, aber es gibt sie. Wir haben ihre Existenz nur gestreift, denn sie wollten in Ruhe gelassen werden, wie wir auch. Ich kann dir nichts über sie sagen.»
    Nanouk seufzte enttäuscht. Nach allem, was er ihr erzählt hatte, hätte sie ihn verachten müssen, doch er hatte ihr Interesse nur noch mehr geweckt. Weil sie die Kälte immer noch an ihrer Kehrseite fühlte, öffnete sie das Fenster, schloss die altmodischen Holzläden, die von außen angebracht waren, und verriegelte das Fenster wieder. «Warum bist du überhaupt zum Werwolf geworden? War es ebenfalls ein ... Unfall?»
    Er nickte ihr dankend. Vermutlich glaubte er, sie hätte die Läden geschlossen, weil der Tag bald anbrach. «Genauso wenig, wie mein Werden zum Vampir. Bei Jarek war es ein Unfall, nicht so bei mir. Ich habe mich immer bewusst für etwas entschieden, eine Charaktereigenschaft, die dazu beitrug, dass ich zum Alpha aufstieg, denn ich wusste schon immer, was ich wollte, und das verlieh mir Selbstsicherheit.»
    «Warum wolltest du ein Werwolf werden, etwas, das du nach kurzer Zeit gelernt hast zu hassen?»
    «Weil ich damals nur den Vorteil sah. Ich brauchte die Kraft, weil ich zwar groß, aber schwächlich war, und ich wusste schon immer, dass mein Weg anders verlaufen würde als der meiner Klassenkameraden. Etwas Besonderes wartete auf mich. Doch es war nicht die Lykanthropie, sondern mein Dasein als Vampir.»
    Nanouk verstand nicht, weshalb sie sich ausgerechnet zu einem Exzentriker hingezogen fühlte. Kristobal wollte etwas Besonderes sein, deshalb war er ein Gestaltwandler und ein Blutsauger geworden. Auch sein Beruf als Illusionist passte ins Bild. Aber dann kam ihr ein Gedanke. Er war im Grunde immer auf der Suche nach sich selbst gewesen, nach seiner Bestimmung, seinem inneren Frieden – genauso wie Nanouk selbst. «Wer hat dich

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