Alraunes Todeskuß
Sie hinauswollen. Sie halten mich für gefährdet.«
»Das ist etwas untertrieben.«
»Wieso? Ich…«
»Sie schweben unserer Meinung nach in Lebensgefahr«, präzisierte ich.
Maria rührte sich nicht. Sie dachte nach, sie räusperte sich dabei und fragte: »Können Sie mir das genauer erklären? Können Sie mir sagen, was ich tun soll? Ich habe einen Vertrag. Ich kann nicht einfach aus der Stadt flüchten und mich irgendwo verstecken. Ich muß diesen Vertrag erfüllen. Sie wußten doch. Die Schau muß weitergehen, denn wir sind Künstler, wir sind für das Publikum da.«
»Sie aus der Stadt zu bringen, hatten wir auch nicht vor, Maria. Das mit der Schau kann ich nicht beurteilen, wir wollten Ihnen nur die Situation vor Augen führen.«
Sie streckte sich im Sitzen. Dabei ballte sie die Hände zu Fäusten. »Und was soll ich tun?«
»Wir werden etwas tun«, erwiderte ich lächelnd.
»Sie wollen mich bewachen.«
»Bingo.«
»Immer?«
Ich schüttelte den Kopf. »Auch nicht immer öfter, aber einer von uns wird von nun an bei Ihnen bleiben. Mein Partner und ich haben bereits gelost, das Los ist auf mich gefallen, so werde ich Ihnen nicht von der Seite weichen.«
Maria winkte ab. »Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich finde es ja toll, daß Sie so besorgt um mich sind, aber glauben Sie denn, daß es etwas bringt?«
»Wir wollen die Alraune fangen«, sagte ich.
»Schön, das will ich auch. Und ich will ebenfalls, daß der Tod meines Bruders endlich aufgeklärt wird. Ich kann sein, wo ijch will, sie wird mich finden. Ist das so richtig, wenn ich davon mal ausgehe?«
»Stimmt genau.«
»Ich werde den Tag also so verbringen, wie ich ihn mir eingeteilt habe.«
»Gern.«
»Und Sie, John, werden dabeisein.«
»Das sollten wir versuchen.«
»Was ist mit Suko?«
»Ich werde erst am Abend erscheinen. Bis dahin bleibe ich im Büro und halte die Stellung, denn es ist durchaus möglich, daß diese Alraune wieder zuschlägt.«
»Woanders noch?«
»Bestimmt.«
»O ja!« stöhnte sie und schüttelte den Kopf. »Ich darf gar nicht darüber nachdenken.«
»Es wird schon klappen. Was hatten Sie denn jetzt vor?«
»Ich wollte etwas einkaufen und mich dann in meinem Zimmer hinlegen.«
»Tun Sie das.«
»Dann sind Sie damit einverstanden, John?«
»Warum sollte ich es nicht sein? Es reicht, wenn ich die Augen offenhalte. Alles andere wird sich dann ergeben, denk ich mal. Ist das ein Vorschlag?«
»Wie Sie das gesagt haben, bin ich dafür. Zumindest kann ich nichts Negatives daran entdecken.«
»Das meine ich doch.« Ich schaute auf die Uhr. »Wenn Sie einkaufen wollen, ich möchte Sie nicht daran hindern.«
»Okay, ich hole nur meinen Mantel aus dem Zimmer.« Sie schaute mich kokett an. »Soll ich das allein tun oder…«
»Ich fahre mit.«
»Wie Sie wollen.«
Maria ging schon vor. Ich brachte Suko noch bis zum Ausgang. »Was hast du für ein Gefühl?« fragte er.
»Ein böses, ein sehr böses sogar.«
Er nickte. »Du wirst lachen oder nicht lachen, aber ich denke ähnlich wie du. Da ist was herausgewachsen, das uns noch in verdammte Schwierigkeiten bringen kann…«
»Hooahhh!«
Ein besonderer Schrei drang aus dem Mund des Fahrers, als er das Gaspedal tief in die Bodenwanne drückte, und in seinen Augen stand für einen Moment ein Leuchten. Auf einmal fühlte er sich bereit, wie aus seiner alten Haut herausgerissen. Endlich konnte er frei sein und seinen Visionen folgen.
Der Wagen raste nach vorn.
Der kleine Corsa, noch immer vor ihm, kam irre schnell näher. Genau zu diesem Zeitpunkt hätte er abbremsen müssen, dann wäre die Kollision vermieden worden, das aber tat er nicht.
Er raste weiter und stellte sich vor, wie die Frau im Corsa reagierte, wenn sie im Innen- oder Rückspiegel plötzlich den viel größeren Wagen hinter sich sah.
Sie würde Angst haben. Sie würde schreien und vor Furcht vergehen.
Nur schade, daß er es nicht hören konnte. So mußte er sich einzig und allein auf seine Vorstellungskraft verlassen.
Kein Bremsen, sondern Gas!
Die Katastrophe war voraussehbar. Morton raste voll in das Heck des kleinen Corsa. Plötzlich wurde der Wagen zu einem Tanzball. Er schleuderte nicht nur zur Seite, er wurde auch in die Höhe gerissen und dann nach rechts gedreht. Der Schwung war so groß, daß der Wagen kippte, aber auf der Seite nicht liegenblieb, sondern quer über die Straße rutschte, noch auf den Gehsteig hüpfte, wo Menschen iri stummer Panik standen, zwei von
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