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Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman

Titel: Als der Kalte Krieg am kaeltesten war - Ein dokumentarischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raimund August
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Broschüren und Briefumschläge nehmen wir auf dem Weg mit.“
    Sebastian langte seine Joppe vom Haken, Hans-Peter den dunkelbraunen Mantel seines Vaters.
    Hoffmann legte einen Geldschein auf den Tisch unter einen Bierdeckel. „Gehen wir, ein Taxistand ist gleich hier um die Ecke. Wenn Sie sich beeilen können Sie schon am Nachmittag wieder zurückfahren.“
    In dem landhausähnlichen Hotel in Grunewald in einer vornehmen Straße saßen beide in ihrem Zimmer am Tisch und schrieben Adressen auf Hunderte von Briefumschlägen. Sebastian und auch Hans-Peter bewegten ab und zu die Finger der rechten Hand, ballten sie zur Faust, öffneten sie wieder und schüttelten das Handgelenk aus. Sie schrieben schnell, beeilten sich und gönnten sich keine Zigarettenpause. Den letzten Zug nach Lübbenau am frühen Abend, den wollten sie noch kriegen. Über das Ostgeld von Hoffmann wunderten sie sich, nachdem sie es im Hotelzimmer nachgezählt hatten. Das Briefmarkengeld abgezogen, blieb für jeden mehr als fünfmal das Fahrgeld Großräschen-Berlin und zurück. „Genau der Wechselkurs“, überlegte Hans-Peter laut.
    „Ja, richtig. Hat Hoffmann nicht was von Spesen in West gesagt?“ gab Sebastian zu bedenken.
    „Ich meine, ja, mir ist auch so.“
    „Schreib du zu Ende und tüte die Broschüren schon ein, ich fahre inzwischen rüber und hole die Briefmarken.“
    „Mannometer“, brummte Hans-Peter vor sich hin, „die müssen wir ja dann auch noch draufkleben.“
    „Spar schon mal Spucke“, sagte Sebastian, lachte, fuhr in seine Joppe und verließ das Zimmer.
    Bahnhof Friedrichstraße – im Postamt direkt unter der S-Bahn-Brücke hatte er einige Bogen 24-Pfennig-Marken erstanden, ein wenig besorgt, daß man ihn dort wegen eines so großen Bedarfs befragen könnte. In Großräschen hätte er das gar nicht machen können. In Berlin aber interessierte es niemanden. Am Alexanderplatz gab es ein großes HO-Kaufhaus, dort wollte er sich rasch noch eines der guten Oberhemden kaufen, die es nur dort gab. Es ging ja nur um eine S-Bahn-Station. Mit dem eingepackten Hemd unterm Arm erschien er dann bald wieder im Hotelzimmer.
    „Weshalb läufst du für die HO Reklame“, fragte Hans-Peter, der nur kurz aufsah und mit dem Eintüten der Broschüren schon fast fertig war.
    „Wieso? Das ist doch nur Packpapier.“
    „Ja, HO-Packpapier.“
    „Na, wenn schon. Ich habe mir dort schnell noch ein Hemd geholt.“
    „Kostenpunkt?“ fragte Hans-Peter.
    „Achtzig Mark, kann ich mir jetzt doch leisten.“
    Hans-Peter pfiff durch die Zähne. „Eins von den teueren“, sagte er. „Aber mal was anderes“, fuhr er fort, indem er weiter Broschüren in Briefumschläge schob, „meinst du, wir sollen diese Spesen annehmen?“
    „Du denkst, man könnte das mit Bezahlung verwechseln?“
    „Weiß ich nicht“, sagte Hans-Peter, hob die Schultern und sah von seinem Stuhl zum vor ihm stehenden Freund auf.
    „Kannst du die Fahrten alle selbst bezahlen“, fragte der.
    „Natürlich nicht, wovon denn? Aber ein Viertel der Spesensumme würde dazu ja reichen, oder auch die Hälfte.“
    „Na schön, und wem soll der Rest zugute kommen? Der hohe Umtauschkurs schädigt doch nur den Osten. Und diese Qualität hier“, dazu tippte er auf das graue Packpapierpäckchen in seiner Hand, „also die kriegst du hier im Westen nicht für umgerechnet sechzehn D-Mark.“
    „Und du meinst dieser Umtauschkurs eins zu fünf, eins zu sechs schadet dem Osten?“
    „Ja, sicher, das meine ich“, und Sebastian warf das Päckchen auf ein Bett. „Und wie heißt der Spruch“, fragte er, „du hast ihn in Ostberlin doch auch schon gelesen.“
    Hans-Peter sah auf und schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung, was du meinst.“
    „Na Mann, der kluge Westberliner kauft in der HO.“
    „Wo also ist denn da der Schaden für den Osten? Du bist ja kein Westberliner.“
    Sebastian winkte ab. „Damit wollen die doch bloß die Geschäfte hier im Westen aushungern. Aber bei den geltenden Umtauschkursen, das liegt doch auf der Hand, wird eher der Osten leer gekauft. Für den klugen Westberliner sind die teueren HO-Geschäfte doch spottbillig. Deshalb denke ich, jede Westmark in Ostmark umgetauscht und dort ausgegeben, ist ein Schaden für den Osten.“
    „Ja, aber der Westberliner soll ja bestimmt nur mit Westgeld, eins zu eins, im Osten einkaufen.“
    „Quatsch, wer würde das denn schon tun.“
    Hans-Peter lachte. „Dann müßte man ja auch sagen, der doofe Westberliner kauft in

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