Als der Tag begann
einem selbstverständlichen Teil meines Parcours, ein Hinweis darauf, dass ich genau da war, wo ich sein wollte: auf meiner Bahn. Und warum sollte ich deswegen von der Bahn abkommen? Warum sollten überhaupt auf einer Rennbahn keine Hürden stehen? Mit diesem Bild im Kopf – die Hürden bewältigen und in Richtung Diplom sprinten – schüttelte ich die warme Decke ab, verließ die Wohnung und ging zur Schule.
Weiterhin motivierte mich ein anderes Bild, nämlich das, wenn ich an meine Lehrer dachte. Wenn ich Schwäche spürte, wusste
ich, dass Perry in der Schule auf mich wartete, genau wie die anderen Lehrer, die ich, zu meiner großen Überraschung, während meiner Zeit an der Prep regelrecht ins Herz schloss.
Susan unterrichtete den Mathekurs frühmorgens. Eine rundliche Frau, die jeden Tag in Blumenkleidern und flachen Schuhen zur Arbeit kam. Susan liebte Literatur. Manchmal redeten wir mehr über Bücher, als dass wir Mathe machten. Sie hatte eine einzigartige Herangehensweise an Liebesgeschichten, mein Lieblingsthema. Susan ermunterte mich zu Gedankengängen, auf die ich von selbst nicht gekommen wäre, und spornte mich an, tiefere Zusammenhänge zu erkunden. Susan kam extra früh, um unter den ersten Lehrern zu sein, die das Licht anmachten, und begrüßte energiegeladen und mit einem fröhlichen Lächeln unsere kleine, sieben Schüler umfassende Gruppe. »Schön, euch heute wiederzusehen«, hieß sie uns in ihrem Singsang willkommen, und sie schien es tatsächlich auch so zu meinen. Zu meiner ersten Unterrichtsstunde am Tag, mit Susan als Lehrerin, wollte ich nie zu spät kommen, und nur der Gedanke an sie hielt mich bei der Stange.
Dann waren da Lehrer wie Caleb, Doug und Elijah, alle drei Mitte zwanzig. Jeder von ihnen hatte gerade seinen Abschluss an Universitäten wie Cornell und Princeton gemacht – Namen, die ich aus Gesprächen bei der NYPIRG kannte. Alle gemeinsam hatten sie sich dem Unterrichten verschrieben, widmeten uns großzügig ihre Zeit, waren gut gelaunt und freundlich. Elijah hatte eine Art, seine Schüler nicht durch Behauptungen herauszufordern, sondern durch Fragen. Durch seinen Einfluss lernte ich, meine Worte überlegter zu wählen, etwas, worüber ich früher noch nie nachgedacht hatte. Und genau wie Perry blickte mir Elijah in die Augen und beobachtete mich, wenn ich vor der Klasse etwas sagte – er baute eine Beziehung zu mir auf. Er inspirierte mich, ebenfalls Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen zu wollen.
Doug ging auf jeden Schüler gleichermaßen ein und war wahnsinnig bescheiden. Eines Tages stellte ich während des Unterrichts eine Frage, und als er bei der Beantwortung ein bisschen
ins Schleudern kam, unterbrach er sich selbst und sagte: »Liz, ich weiß es nicht, wollte es aber so aussehen lassen, als ob doch. Aber ich weiß es wirklich nicht, tut mir leid. Wenn dich die Antwort interessiert, finde ich es für dich heraus.« Ich war perplex. Niemals waren Lehrer mir gegenüber so menschlich gewesen. Von Doug lernte ich, wie wichtig es ist, authentisch zu sein.
Und ich hatte noch nie jemanden wie Caleb getroffen. Perry witzelte mal, dass die Lehrer der Prep so viele Überstunden machten und daher wohl glauben mussten, Investmentbanker zu sein. Meiner Meinung nach bezog sich das vor allem auf Caleb. Hier herrschte eine andere Kultur als an gewöhnlichen Schulen, zum Beispiel gab es keinen Massenexodus um drei Uhr nachmittags, sobald die Klingel läutete. Hier standen die Leute nach der Schule noch in Grüppchen zusammen und verweilten in dem großzügig angelegten öffentlichen Bereich, der Prep Central genannt wurde. Oder die Schüler blieben bis zum Spätnachmittag für Einzelunterricht oder außerlehrplanmäßige Aktivitäten mit dem Lehrpersonal da. Die Lehrer bekamen dafür keine Extrabezahlung, und zusätzlich zu den Überstunden, die sie alle erbrachten, blieb Caleb noch länger. Lange nach Schulschluss und sogar lange, nachdem alle nach ihren außerlehrplanmäßigen Aktivitäten nach Hause gegangen waren, traf man Caleb immer noch in einem der kleinen, vollgestopften Büros an, damit beschäftigt, die zu spät gekommenen oder gar nicht erschienenen Schüler anzurufen.
»Hi, hier spricht Caleb Perkins. Schade, dass wir heute auf dich verzichten mussten. Macht es dir etwas aus, mir zu sagen, warum du so spät dran warst oder gar nicht erst gekommen bist? Können wir dir ab jetzt dabei helfen, pünktlich hier zu sein?« Caleb reichte einem nach dem anderen
Weitere Kostenlose Bücher