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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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Namen ummodeln wollte, aber sofort hat die ganze Belegschaft nachgezogen, und bevor ich wusste, wie mir geschieht, war ich für alle nur noch Lynn. Und ich habe das zugelassen und mich plötzlich, ohne es zu merken oder mich darüber zu wundern, in jemanden verwandelt, der ich gar nicht war: in Lynn von der Internen Kommunikation.«
    »Ich habe Sie noch nie Lynn genannt«, verteidigt sich Asif; er ist nicht sicher, was er damit bezweckt. Absurd zu glauben, dass ihm dieser kleine Pluspunkt einen Vorsprung vor allen anderen verschaffen könnte, dennoch schöpft Asif übertrieben viel Hoffnung daraus, wie ein unattraktives Mädchen, das sich für eine Party maniküren lässt, als genügten hübsche Fingernägel, um insgesamt begehrenswerter zu werden.
    »Ich weiß«, antwortet Mei Lin schlicht. Sie sieht ihn einen Augenblick zu lange an, als sähe sie ihn plötzlich zum ersten Mal. Der Pluspunkt erscheint nicht länger so belanglos. »W issen Sie was? Das war jetzt richtig nett mit Ihnen«, sagt sie, nimmt ihre Sachen und zückt die Kreditkarte. »T ut mir leid, aber ich muss mich beeilen. Ich muss mich vor dem nächsten Meeting noch umziehen. Die Drinks gehen auf mich.« Asif hat keine Chance zu protestieren, da sie schon an der Kasse steht, wo ihre Karte ohne Umschweife durchgezogen wird. »Ich denke, wir sehen uns am Donnerstag im Fitnessraum.«
    »Ja, Donnerstag«, wiederholt Asif beiläufig. Er muss sich sehr zurücknehmen, damit es nicht nach mehr klingt, als es ist, denn er wünscht sich, es wäre etwas Wunderbares wie eine Verabredung, ein Versprechen oder ein Geheimnis. Er stellt sich vor, wie eine mutigere, andere Ausgabe seiner selbst etwas sagt wie: »Und danach könnten wir wieder einen Saft trinken gehen, wenn Sie Zeit haben. Schließlich bin ich Ihnen einen schuldig.« Er ist schockiert, als die Worte tatsächlich aus seinem Mund purzeln, ungebeten, ein wenig genuschelt, aber vollkommen verständlich.
    »W arum nicht?«, sagt Mei Lin. »Und Sie sollten wirklich noch etwas essen«, fährt sie fort. »Ich habe oft gesehen, wie Sie das Mittagessen ausgelassen haben und am Schreibtisch geblieben sind, während die anderen beim Essen waren. Mir passiert das auch, wenn ich das ganze Wochenende mit Melody allein bin. Wenn man sich die ganze Zeit um andere kümmert, vergisst man, sich um sich selbst zu kümmern.«
    »Ach, ich passe schon auf mich auf«, lügt Asif ein wenig; er ist gerührt, dass sie das bemerkt hat. »Ich werde mir ein Sandwich holen.« Sie geht zur Tür hinaus, und Asif bemüht sich, ihr nicht hinterherzustarren, auf ihre Schulterblätter, den eleganten Schwung ihres Rückens, und wie sie sich draußen auf der kalten, sonnigen Straße die Gänsehaut von den nackten Armen rubbelt. Etwas weniger bemüht er sich, sein dümmlich-glückliches Grinsen zu unterdrücken, als ihm langsam aufgeht, dass die kleinen Worte »W arum« und »nicht«, jedes für sich genommen eher unerfreulich, in Kombination »ja« bedeuten. Mei Lin ist für ihn sogar noch anbetungswürdiger, seit sie keine Göttin mehr ist, sondern eine Frau, die Schmerz empfindet und blutet, der er ins Gesicht sehen kann, ohne wegen Gotteslästerung zu Stein zu erstarren. Er erkennt, dass er immer noch alles, wirklich alles dafür tun würde, wenn sie sich umdrehen und ihn freundlich ansehen würde, wenn sie ihn einfach beim Namen nennen würde. Und als würde sein Gebet erhört, dreht sich Mei Lin noch einmal um und winkt ihm durch das Fenster der Saftbar zu. »Bis dann, Asif«, ruft sie.
    Asif winkt zurück und lächelt immer noch, als er den Saftrest in seinem Glas betrachtet. Wäre es möglich, dass Mei Lin ihn wirklich als ganz gewöhnlichen Typen sieht und nicht als verkorkstes Nervenbündel, das im Alltag ins Korsett der Routine gepresst wird, aber insgeheim, wenn keiner seine Schreie hört, von einer Panik umgetrieben wird, die er hinter Selbstgefälligkeit und vorgetäuschter familiärer Kompetenz verbirgt? Wäre es möglich, dass er tief im Innersten tatsächlich nur ein ganz gewöhnlicher Typ ist wie alle anderen? Mei Lin hatte ihn beim Namen genannt, und Asif entdeckt endlich etwas, was er an seinem Namen mag. Wenn sie ihn ausspricht, ist es, als ob plötzlich alles auf der Welt möglich wäre.

Spieleabend
     
     
     

     

     
    »W as ist los?«, fragte Asif Lila, als er zur Haustür hereinkam, später als sonst, weil er in der Schule geblieben war, in der Bibliothek. Das war einfacher, als zu Hause zu lernen, wo Yas’ Musik

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