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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roopa Farooki
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sich aus Dads Armen, um es Asif gleichzutun. Mum hielt ein Kind links, das andere rechts umschlungen und zeigte ihnen eine durchsichtige Plastikbox auf Rädern, die neben ihr stand. Darin lag, ganz in Decken eingewickelt, eine schlafende, zerknitterte kleine Puppe mit dunklem Haarflaum auf dem Kopf. »Sie ist erst sechs Stunden alt«, sagte Mum. »Sie ist sehr, sehr müde, weil sie die ganze Nacht wach gewesen ist und geboren wurde. Heute ganz früh, als ihr beide noch im Traumland wart, ist sie endlich angekommen. Daddy hat auch die ganze Nacht nicht geschlafen, weil er hier bei Mummy war, nachdem ihr beide ins Bett gegangen seid. Dann ist er wieder nach Hause gefahren, um euch zu holen. Mrs. Cox von nebenan ist über Nacht bei euch geblieben, das habt ihr gar nicht gemerkt.«
    »W as ist denn das?«, fragte Lila und deutete auf die Puppe, die den Mund aufmachte, gähnte und dann weiterschlief, das Gesichtchen zur Seite gedreht.
    »Das ist Babu«, sagte Asif mit dem Brustton der Überzeugung. Er versuchte das Baby zu betrachten, konnte es aber nicht richtig sehen, weil die Box zu hohe Seitenwände hatte.
    »Das ist eure kleine Schwester«, erklärte Mum. »Sie heißt Yasmin.«
    »W illst du sie dir mal näher anschauen, Champion?«, fragte Dad und hob Asif an den geschwungenen Rand der Box; das Gesicht des kleinen Wesens war nun in seiner Reichweite. »Das ist deine kleine Schwester Yasmin«, wiederholte Dad. »Und du bist ihr großer Bruder, deshalb musst du jetzt auf sie aufpassen wie auf Lila.«
    »Babu«, sagte Asif und strich mit der Hand ganz behutsam über die rosige Babywange. Noch nie hatte er etwas so Vollkommenes, so Reines gesehen.
     

     
    Sobald Asif sich zu erinnern begann, bahnten sich auch alle anderen, von Zorn oder Verbitterung unterdrückten Erinnerungen plötzlich ihren Weg: Das erste Mal, als er mit der Aufgabe betraut wurde, Yasmin mit einem Löffel zerdrückter Banane zu füttern, und wie sie die Banane nicht ausgespuckt hatte wie sonst alles, sondern gierig schluckte und sogar den Löffel ableckte. Wie er sie wieder in einen friedlichen Schlaf gewiegt hatte, als sie schreiend aufgewacht war, in der Nacht, als Mum unten in der Küche blieb und weinte, nachdem sie den beiden höflichen Polizeibeamten die Tür geöffnet und erfahren hatte, dass Dad nicht mehr lebte. Die schmerzhafte Angst in seinem Bauch, als die fünfjährige Yasmin im Supermarkt verloren ging, und wie ihm plötzlich ganz schwindlig wurde vor Erleichterung, als er sie schließlich fand – sie stand unverschämt dicht neben einer hübschen jungen Frau, die am Eingang Prospekte verteilte. Der Moment nervöser Anspannung, als er ihr die Teletubbies - LP überreichte, die er von seinem eigenen Taschengeld gekauft hatte, und das unglaubliche Lächeln, als sie erkannte, was es war, ein Lächeln, das immer noch auf ihrem Gesicht lag, als sie den Kopf hob und Asif ansah. Das war das erste Mal, dass sie ihm in die Augen sehen und danke sagen konnte.
    »Babu«, sagte Asif verträumt vor sich hin, den Blick immer noch aus dem Fenster gerichtet. Als er aus dem Zug stieg, war er fröhlich, und als er nach Hause kam, stand da tatsächlich sein Lieblings-Schokokuchen, den Mum eigens für ihn gebacken hatte. Es war Spieleabend, und sie spielten Scrabble , das Yasmin gewann, weil sie die ganzen schlauen Kurzwörter kannte, die viele Punkte einbringen, wie XI , YAK , YEN , YIN und ZYAN . Anders als erwartet, wurde es ein wirklich netter Abend; hätte jemand durchs Erkerfenster hereingeschaut, dann hätte er eine wirklich glückliche, normale Familie gesehen.
    Aber nach Cambridge sollte Asif nie mehr zurückkehren, weder zur Pyjama-Party an diesem Wochenende noch später. Er sollte nie wieder rudern, Stechkahn fahren oder Krocket spielen, weil Mum am nächsten Tag, als Yasmin und Lila in der Schule waren, ohne jede Vorwarnung starb. Und alles änderte sich für immer; und alles blieb, wie es war.

Seichtes Gewässer
     
     
     

     

     
    Beim Aufwachen findet sich Lila an Henrys Brust geschmiegt, umfangen von seinem leicht sommersprossigen Arm; die Haut innen am Ellbogen ist hell und weich wie die eines Babys. Lila betrachtet Henrys Profil; im Schlaf wirkt es feierlich ernst, und auch wenn er nicht im klassischen Sinn gut aussieht, hat er mit seinen fein geschwungenen Lippen, der geraden Nase und den schweren Lidern doch etwas von der gelassenen Anmut einer Statue. Lila fühlt sich wunderbar warm und behaglich, Henrys Mund zieht sie mit einem

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