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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Koepcke
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Entschluss letztendlich richtig war.
    Aber da war so vieles, was mich mit Angst erfüllte. Zuallererst wartete mein erster Überseeflug auf mich. Diese Anspannun g …

15 Heimkehr in die Fremde

Kapitelanfang
    … wieder in einem Flugzeug zu sitzen, und diesmal sollte sie also nicht nur 5 0 Minuten lang dauern, sondern ganze 1 8 Stunden. Zum Glück durfte ich einige dieser Stunden im Cockpit verbringen, was mir die Zeit enorm verkürzte und mir meine Angst ein Stück weit nahm. Besonders faszinierend fand ich die abendliche Zwischenlandung in New York, die ich vom Cockpit aus miterleben durfte. Sofort erfasste mich wieder meine Begeisterung für alle technischen Dinge, und die freundlichen Piloten antworteten geduldig auf meine Fragen.
    Dennoch. Auf diesem Flug über den Atlantik befand ich mich in einer Art seelischem Niemandsland. Mein bisheriges Leben war jäh zu Ende. Ein neues hatte noch nicht begonnen. Und langsam begriff ich, dass der Absturz mehr war als ein unangenehmer Zwischenfall, den man erlebt, verarbeitet und wieder vergisst. Auch wenn ich wie durch ein Wunder relativ sanft auf dem Boden des Regenwalds gelandet wa r – noch immer fühlte ich mich ohne Grund unter meinen Füßen, ohne Basis, ohne Fundament.
    Ich hatte meine Mutter verloren. Eben war mir meine Heimat genommen worden. Und ich hatte keine Ahnung, was mich in meinem neuen Leben erwarten würde. Ich war mit der festen Überzeugung aufgebrochen, so bald wie möglich wieder nach Panguana zurückzukehren. In Wirklichkeit sollten viele Jahre ins Land ziehen, bis ich meinen geliebten Urwald wieder sah.
    Vielleicht ist es darum immer wieder etwas ganz Besonderes für mich, zu diesem Fleckchen Erde mitten im peruanischen Regenwald zurückzukehren. Heute wird einmal mehr eine Geduldsprobe daraus. Kaum haben wir die Carretera verlassen und sind auf die Erdpiste in Richtung Yuyapichis abgebogen, folgt ein Schlammloch auf das andere. Der rote Lateritboden verwandelt sich nach Regenfällen in eine einzige Rutschpartie, und es braucht viel Erfahrung, um nach den heftigen Schauern, die die letzten Wochen hier herrschten, den voll beladenen Wagen sicher durch dieses Abenteuer zu steuern. Mehrmals denke sogar ich, die ich jetzt schon so oft und bei allen möglichen Straßenlagen hier im Urwald unterwegs war: Dieses Hindernis hier schaffen wir nicht! Besonders, als es einige Meter wie auf einer Rutschbahn steil nach unten in ein Wasserloch geht, dessen Tiefe man nicht ermessen kann, und nach zehn, zwanzig Metern eine ebenso steile Rutsche wieder hoch. Doch unser Fahrer lässt sich nicht so schnell beeindrucken, unbeirrbar manövriert er uns durch diesen Schlamassel hindurch. Unterwegs begegnen uns kleine und größere LKWs und Pick-ups, voll beladen mit Waren und Menschen, wie Trauben kleben sie oben auf der Ladung und halten sich fest, wo es nur geht. Da darf man nicht zimperlich sein, wenn sich das Gefährt mal so richtig in Schieflage begibt, aber für eine Mitfahrgelegenheit für ein paar Soles ertragen die Menschen hier in diesen abgelegenen Gegenden viel.
    »Wenn wir erst ›Die Tür‹ erreicht haben«, sagt der Fahrer, »dann ist alles nur noch halb so schlimm.«
    Und er hat recht. Wir müssen nur einmal einen Reifen wechseln, und das erledigen die beiden Fahrer so routiniert, als ob sie das jeden Tag machten. Und so ist es auch. »Einen Reifen?«, lacht der zweite Fahrer, der sich offenbar freut, etwas zu tun zu kriegen und nicht nur auf der Ladefläche durchgeschaukelt zu werden. »Das ist ja gar nichts!« Der »neue« Reifen hat fast überhaupt kein Profil mehr, aber das stört niemanden.
    Und dann geht es weiter.
    Bei der »Tür« halten wir heute nur kurz. Die Señora ist gar nicht zuhause, und ich gebe ihrer Tochter ein paar Fotos, die ich von ihrer Mutter auf der letzten Durchfahrt machte. Wir trinken ein Bier und sehen, dass wir weiterkommen. Es dauert nicht mehr lange, dann überqueren wir den Río Shebonya. Hier lasse ich kurz anhalten, denn dieser Fluss ist und bleibt für mich etwas Besonderes. Ich gehe zur Brücke, überquere sie zur Hälfte und schaue zwischen den Eisenstreben hindurch ins Wasser. Wie oft schon habe ich mir die Frage gestellt, ob ich auch hier vorbeigekommen bin, schwimmend oder im Wasser treibend, am Ufer watend, immer auf der Hut vor Stachelrochen? Wen auch immer ich fragte, wo denn nun genau von hier aus gesehen die Flugzeugtrümmer liegen, jeder gab mir eine andere Antwort. Der Urwald hat sie wieder fest in seinem

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