Als schliefe sie
Schüssel »Kubba arnabîjja«, geschickt von der Ehefrau ihres Sohnes Mûsa, in sich hineingestopft hatte.
»Die Schüssel verputze ich bei einer Mahlzeit, und zwar ganz allein!«, hatte sie sich vor ihrem Enkel gebrüstet, der die Schüssel brachte.
»Nicht doch, Oma! Das bringt dich um!«, hatte Iskandar fassungslos beim Anblick ihres unersättlichen Appetits gewarnt.
»Dann sterbe ich mit vollem Bauch.«
Milia wusste, dass ihre Mutter sich totessen würde, betrachtete dies aber als eine Art Naturkatastrophe. Eines allerdings konnte sie beim besten Willen nicht begreifen. Die verflixte Krankheit. Sie war überzeugt, dass ihre Mutter in Wirklichkeit nicht krank war, sondern simulierte und irgendwann selbst an die Lüge zu glauben begonnen hatte.
Völlig überraschend war ihr Mann im Alter von fünfundvierzig Jahren gestorben. Da habe sie, so erklärte die Nonne Saadas Zustand, den Halt verloren.
»Ich hasse die ganze Sache«, beklagte sich Saada bei der Nonne. »Ich ertrage seinen Geruch nicht. Immer, wenn er mir auf den Leib rückt, bleibt dieser Geruch an mir haften. Jede Woche ein Mal, da gibt es kein Entrinnen! Und danach bade ich drei Mal hintereinander. Der Gedanke, dass die Sünde an mir klebt, lässt mir keine Ruhe. Am liebsten würde ich einfach verschwinden. Ich wünschte, ich könnte in die Wand kriechen, Schwester. Dann wäre der Geruch endlich weg!«
»Du riechst nach Lorbeer und Seife«, widersprach die Nonne. »Rede also nicht so einen Unsinn, mein Kind!«
»Aber der Geruch! Er ist immer da«, beschwerte sich Saada.
»Du bist zur Jungfrau und Nonne geboren, Saada. Aber dein unersättlicher Appetit macht alles zunichte. Mir ist noch nie ein dermaßen esssüchtiger Mensch untergekommen wie du!«
Dieser oder ein ähnlicher Wortwechsel fand zwei Jahre nach Jûsufs Tod statt. Saada klagte der Nonne ihr Leid. Was sie quälte, waren entsetzliche körperliche Schmerzen und der Geruch ihres Mannes, der ihr hartnäckig in der Nase hing. Der bloße Gedanke an Jûsuf trieb ihr die Tränen in die Augen.
»Wie konnte er uns das nur antun. Mich hat er zur Witwe und die Kinder zu Waisen gemacht!«, jammerte sie. »Meine armen Kinder! Schau nur, wie schwer sie es haben. Schuften von früh bis spät! Trotzdem, der Herrgott meint es gut mit uns. Nikola hat zum Glück Arbeit als Sargschreiner. Andernfalls wären wir verhungert. Salîm, mein Ältester, hat sich den Jesuiten angeschlossen. Er studiert Jura und will Anwalt werden, sagt er. Und Mûsa, der Kleine, geht fleißig zur Schule. Nikola und Abdallah müssen die ganze Last tragen. Und Milia, ich weiß auch nicht. Irgendwie merkwürdig kommt sie mir vor. Sie ist wie vom Teufel besessen. Nur einen Monat hat sie gebraucht, um kochen zu lernen. Zwar hat sie die Schule aufgegeben, aber sie ist der reinste Bücherwurm. Sie putzt, wäscht, kocht. Den ganzen Haushalt erledigt sie in zwei Stunden. Ich dagegen habe allein fürs Kochen den ganzen Tag gebraucht, und trotzdem hat mein Essen fade geschmeckt, wie mein verblichener Mann immer sagte. Milia ist da völlig anders.«
Saada und die Nonne aßen gefüllte Auberginen in Öl. Saada konnte nicht an sich halten, obwohl sie bereits zu Hause mittaggegessen hatte.
»Das sind nicht gefüllte Auberginen, Saada. Das ist eine Verführung!«, rief die Nonne schmatzend. »Bring bloß nie wieder etwas vom Essen deiner Tochter mit. Dieses Aroma! Es ist, als würde man… Gott bewahre uns vor der Sünde!«
Auch für Mansûr hatte kulinarischer Genuss etwas von fleischlicher Lust. Er und Milia saßen auf dem Dach ihres Hauses in Nazareth und hatten gerade zu Abend gegessen. Mansûr wollte sich soeben Arrak nachschenken. Milia aber riss ihm das Glas aus der Hand und eilte in die Küche.
»Was soll das?«, schrie er ihr hinterher.
»Genug getrunken. Jetzt kommt der Nachtisch!«
Kurz darauf erschien sie mit einer Schüssel Qatâjif. Kleine prall gefüllte Teigtaschen, honiggetränkt, auf leiser Flamme goldbraun gebraten, nach echtem Butterschmalz aus Hama duftend und mit glänzenden Pinienkernen verziert.
»Wie köstlich!«, rief Mansûr verzückt mit vollem Mund.
»Ich habe die Qatâjif mit einer Mischung aus gemahlenen Pinienkernen, Zucker, Rosenwasser und Orangenblütenwasser gefüllt.«
Beim zweiten Bissen schloss Mansûr die Augen und gab eine Art Luststöhnen von sich.
»Das ist kein Dessert, mein Schatz. Das ist Sex! Ich habe nicht das Gefühl zu essen, sondern mit dir zu schlafen! Unglaublich!«, jauchzte er,
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