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Als wir Roemer waren

Als wir Roemer waren

Titel: Als wir Roemer waren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Kneale
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auf das Forum gegangen, wo sich früher die alten Römer getroffen haben. Das ist eine große Ruine, bloß ein paar Säulen und Mauern, mehr nicht, und ich dachte, »wie langweilig«, aber das stimmte gar nicht, man braucht nämlich bloß die Augen zumachen und seine Fantasie benutzen, man muss denken, »vor Tausenden von Jahren war das alles nagelneu«, denn damals war alles voll von Tempeln und berühmten Römern, und Mum hat gesagt, »sind die Bäume nicht herrlich? Sie heißen Schirmpinien, weil sie wie Schirme aussehen, so was findet man bei uns nicht im verregneten England.«
    Mum hat gesagt, als Nächstes gehen wir zum Kohlosseum, und ich dachte, »au ja, hurra«, weil sie da nämlich viele Gladiatorenkämpfe hatten, aber dann hat Jemima angefangen zu nerven, sie hat gesagt, »ich mag diese Straße nicht mit den alten Steinen, die sind so rutschig«, sie hat gesagt, »ich bleib hier.« Ich hab versucht zu helfen und gesagt, »jetzt sei nicht so ein dicker fetter Faulpelz, Jemima«, aber es hat nicht gewirkt, sie hat ihr bissiges Gesicht gemacht und wollte mich boxen. Mum sah müde aus, sie sagte, »schon gut, Lamikin. Ich trag dich«, und ich dachte, »gut, gute Idee.« Aber dann gabs eine riesenlange Schlange, und wie Mum gefragt hat, was die Eintrittskarten kosten, hat sie gesagt, von außen sieht es besser aus, und sie hat gesagt, »wir essen lieber ein Eis.« Ich war sauer, ich sagte, »ich will aber kein Eis, ich will ins Kohlosseum«, aber sie hat uns trotzdem eins gekauft, ich hab Erdbeer gekriegt, und dann haben wir uns auf eine Mauer gesetzt, und wie ich mein Eis
gegessen hab, ging es mir ein bisschen besser, das mit dem Kohlosseum war doch nicht so furchtbar schlimm.
    Danach ist was Komisches passiert. Mum hat Jemima das Eis aus dem Gesicht gewischt und gesagt, »ist es nicht herrlich hier? Fast wie im Sommer, dabei haben wir doch erst März.« Dann hat sie uns mit einem ganz besonderen Blick angeguckt, und ich dachte, »wetten? Jetzt kommt gleich was Ernstes.« Und ich hatte recht, sie sagte nämlich, »was haltet ihr davon, Lesongfong, wenn wir ein bisschen länger hierbleiben? Vielleicht bis zum Sommer.« Jemima hat gelacht und gesagt, »ja ja, ich will bleiben«, aber ich glaub nicht, dass sie es richtig verstanden hat, sie dachte bloß, »wenn wir noch bleiben, krieg ich noch ein Eis.«
    Mum hat mich angeguckt. Und gewartet. Aber ich war so überrascht, ich wusste es auch nicht, ich dachte, »ja, es ist schön hier, das tolle Wetter und das leckere Essen und die Gebäude und Mums Freunde.« Ich sagte, »aber die Schule, und meine Klassenarbeiten.« Mum sah so aus, wie wenn sie nachdenkt, und sie sagte, »ich könnte anrufen. Die haben bestimmt nichts dagegen, wenn du dir ein bisschen freinimmst, was meinst du, was du hier alles lernst? Jede Menge Sachen über Rom. Außerdem kannst du genauso gut hier zur Schule gehen.« Da musste ich lachen, ich sagte, »also echt, Mum, wie soll das denn gehen? Ich kann doch kein Italienisch«, aber Mum hat gesagt, »das lernst du schon, das kann ich dir beibringen.« Ich wusste nicht so recht, ich dachte, »das ist bestimmt schwer, das dauert sicher ewig.« Aber dann dachte ich, »Mum wirds schon wissen, wenn sie sagt, das mit den Klassenarbeiten macht nichts.« Ich dachte, »hier ist sie nicht traurig, und das ist gut«, ich dachte, »in Rom findet Dad uns nie, und wir müssen uns auch noch keine Gedanken wegen Hermanns Haustierpass machen, das ist auch gut«, und deswegen hab ich gesagt, »okay, Mum, dann bleiben wir eben.«

    Mum war so froh, dass sie mich ganz feste gedrückt hat und Jemima auch, wie die sich dazwischengedrängt hat. Danach hat Mum wieder ein ernstes Gesicht gemacht und gesagt, »aber einfach wird es nicht. Ich muss Geld verdienen. Und eine Arbeit zu finden ist in Rom gar nicht so leicht. Und wir brauchen natürlich auch eine Wohnung.« Aber dann hat sie gelacht und gesagt, »wer weiß? Vielleicht treffe ich den Filmregisseur wieder, und er gibt mir eine Rolle, aber nein, der ist inzwischen sicher längst in Hollywood, oder er arbeitet in irgendeinem Restaurant als Kellner, das ist wahrscheinlicher«, und ich dachte, »das wäre klasse, wenn Mum in einem Film mitspielen würde, dann könnten wir alle ins Kino gehen und sie uns angucken.«
    Wie wir mit dem Bus zurückgefahren sind, hat Mum angefangen, uns Italienisch beizubringen, sie hat durch das Fenster auf irgendwas gezeigt, und ich hab »Kiehsa« gelernt, das heißt »Kirche«, und

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