Als wir Roemer waren
Hermann was Schlimmes an.« Aber dann dachte ich, »nein, das kann er nicht, nicht, wenn ich richtig schnell mache.«
Also bin ich raus aus dem Wohnzimmer und rüber zur Küche, und weil die Tür einen klitzekleinen Spalt offen war, hab ich reingeguckt. Und es war überhaupt nicht Gabrielle, es waren Klaudio und Mum, sie saßen am Küchentisch
und hatten Weingläser vor sich, und ich dachte, »dann ist ja alles in Ordnung, ich geh lieber wieder zurück, bevor sich Gabrielle hinter mir reinschleicht.« Aber dann ist mir was aufgefallen, weil Klaudio nämlich die Hand auf Mums Rücken hatte, und ich dachte, »das ist seltsam.« Ich hab Mum durch die Tür gehört, sie sagte, »sei nicht albern, Bär, das geht wirklich nicht«, und ich dachte, »das ist auch seltsam. Woher weiß sie, dass Klaudio ein Bär ist?« Dann hat Klaudio gesagt, »ihr Essen ist bestimmt nicht vor elf zu Ende, und es ist eine weite Fahrt.« Mum sagte, »nein, Bär, wirklich nicht.« Und dann hat Klaudio leise gestöhnt, wie wenn er gleich weinen muss, und er hat was echt Komisches gemacht, er hat nämlich den Kopf runtergetan, wie wenn er in ein Schwimmbecken springt, aber mitten zwischen Mums Arme, und es war, wie wenn ich keine Luft mehr kriege, genauso wie am Abend davor, wo ich gesehen hab, dass Hermanns Tür weit offen steht.
Klaudio hat was gesagt, es war echt schwer zu verstehen, weil er ja so halb in Mum reingekrochen war, aber ich habs trotzdem gehört, er hat gesagt, »ich mach mir nichts mehr aus Tschintzia, die Einzige, aus der ich mir was mache, bist du, Hannah«, und ich dachte, »jetzt fängt er echt gleich an zu heulen«, ich dachte, »ich kann dich nicht mehr leiden«, ich dachte, »wären wir bloß nie hergekommen, sie sind alle so furchtbar, Tschintzia böses Eichhörnchen, Gabrielle hinterlistiges Garkeintier und Klaudio schrecklicher Bär. Wären wir doch bloß bei den Nonnen geblieben.« Da hat Klaudio den Kopf wieder hochgehoben und gesagt, »ich fühle mich so verloren.« Mum sagte, »nein, Bär, nein«, wie wenn sie ihn loswerden will, und ich dachte, »so ist es richtig«, ich dachte, »mach, dass er weggeht, Mum, komm wieder ins Bett«, aber dann ist was passiert, das war ne echte Überraschung. Weil Mum nämlich plötzlich den Kopf vorgeschoben und Klaudio total feste geküsst
hat, ewig lange, und sie hat ihm die Finger um die Ohren gelegt.
Und da bin ich dann irgendwie in die Küche. Es war komisch, auf einmal war ich drin, wie wenn ich nichts dagegen machen konnte, wie wenn meine Füße von alleine reingegangen sind. Ich dachte, »au nein«, ich dachte, »was soll ich jetzt machen?«, dann dachte ich, »au ja, ich hol mir ein Tim und Struppi.« Also bin ich vorbeigegangen, ich hab nicht hingeguckt, wie wenn ich gar nicht gesehen hab, dass sie da sind. Ich hab einen Stuhl über den Boden kratzen gehört, wie das Geräusch, das ich im Schlaf gehört hab, und plötzlich hat Mum mich angeschrien, »was machst du hier, wieso schläfst du nicht?«, ganz laut, wie wenn sie stinksauer auf mich ist.
Ich hab nichts gesagt, ich hab nicht geantwortet, ich war ganz still und bin ganz vorsichtig durch die Küche zu meiner Kiste mit den Tim und Struppis gegangen und hab mir eins rausgenommen, es war Die Krabbe mit den goldenen Scheren. Es war komisch, ein Gefühl, wie wenn überhaupt nichts passiert, wie wenn ich überhaupt nicht da bin, wie wenn ich im Weltraum bin oder so, aber dann war plötzlich wieder alles ganz anders, plötzlich wurde ich total stinksauer. Ich dachte, »wieso schreit Mum mich an, das ist nicht fair, ich hab überhaupt nichts gemacht. Ich hol mir bloß ein Tim und Struppi, wie kann sie bloß?«, und ich hab sie wirklich gehasst, weil sie mich angeschrien hat. Also hab ich Die Krabbe mit den goldenen Scheren quer durch die Küche gepfeffert, ich hab noch nicht mal hingeguckt, wo es landet, ich glaub, auf der Mikrowelle.
Ich bin aus der Küche gerannt, und ich hab die Tür so laut wie möglich zugeknallt, war mir doch egal, ob einer hinter mir ist und sich die Hand einklemmt, aber da war keiner. Ich bin rüber ins Wohnzimmer gerannt und hab die Tür auch noch zugeknallt, und Jemima ist wach geworden
und hat gesagt, »was ist los?«, aber ich hab nichts gesagt. Gabrielle hat geschrien, der war auch aufgewacht, und ich bin ins Bett gegangen. Mum kam rein, sie kam zu mir rüber und sagte, »Lawrence, mein Spatz, es tut mir ja so leid«, aber das war mir egal, ich sagte, »du hast mich angeschrien, und das war
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