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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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läuteten die Mittagsglocken, als es den Maresciallo, eben auf seine Seite des Arno zurückgekehrt, wieder zur Piazza Santo Spirito hinzog, wo die Marktleute inzwischen ihre Stände abbauten. Gern hätte er an gleicher Stelle Posten bezogen wie heute morgen und sich, den Blick auf die braunen Fensterläden gerichtet, eine geeignete Strategie überlegt, um an den Sohn des Hauses heranzukommen. Aber Torquatos neugierige Blicke verscheuchten ihn, und so zog er sich in das Eiscafé neben dem Eingang zum Palazzo Brunamonti zurück.
    »Morgen, Maresciallo.«
    »Tag, Giorgio…« Sobald er sich vor Sonne und Wind geschützt wußte, nahm Guarnaccia Brille und Mütze ab.
    »Einen Kaffee, bitte.« Giorgio und er waren alte Bekannte. Das Lokal, das in den letzten Jahren einen erfreulichen Aufschwung erlebt hatte, bot inzwischen neben seinen berühmten Eissorten auch kleine Gerichte an, die sich bei den Studenten und den Angestellten im Viertel großer Beliebtheit erfreuten. Giorgio achtete darauf, daß sein Restaurant drogenfrei und sein Verhältnis zu den Behörden ungetrübt blieb.
    »Es ist also doch etwas mit der Contessa?« Giorgio gehörte zu der Sorte Florentiner, denen der Volksmund eine ›Zunge ohne Zügel‹ attestierte. In Sizilien, wo der Maresciallo herstammte, sahen und hörten die Leute nichts, und darüber geredet hätten sie noch viel weniger. Kein Wunder also, daß ihn die hiesige Unverblümtheit immer noch in Erstaunen setzte.
    »Die Contessa…«
    »Brunamonti. Die übrigens meine Hauswirtin ist. Ja, ja, ihrer Familie gehört der ganze Block.«
    »Das wußte ich gar nicht.«
    »Dann wissen Sie’s jetzt. Also, daß da was nicht stimmt, das ist ja jedem aufgefallen. Seit zehn Tagen hat man sie nicht mehr gesehen. Und den Hund auch nicht. Ausgerechnet jetzt, wo sie doch die große Modenschau vorbereiten – die in New York. Da wäre Leonardo normalerweise rund um die Uhr im Atelier, und spätabends käme er auf einen Imbiß zu mir ins Lokal. Aber keiner aus der Familie läßt sich mehr hier blicken. Auch die Näherinnen haben seit einer Woche nicht mehr bei mir zu Mittag gegessen. Dafür kommen Sie heute schon zum zweitenmal. So, Ihr Kaffee! Wie wär’s mit ‘nem kleinen Schuß zum Aufwärmen?«
    »Nein, nein…«
    »Wie Sie meinen. Allerdings, bei der Eiseskälte…«
    »Schon, aber Sie haben es ja hübsch warm hier. Sagen Sie, könnte ich Sie mal unter vier Augen sprechen? Im Moment scheint doch nicht allzuviel los zu sein, oder?«
    »Nein, bis die ersten Mittagsgäste kommen, habe ich noch eine gute halbe Stunde. Gehen wir nach hinten. Marco! Bring dem Maresciallo seinen Kaffee rüber. Ich glaube, den Raum hier kennen Sie noch gar nicht, oder?«
    »Nein. Sieht aber sehr einladend aus.«
    »Nehmen Sie doch Platz.« Die runden Bistro-Tischchen waren schon fürs Mittagessen gedeckt. Der Maresciallo setzte sich auf eine der grauen Plüschbänke, die reihum die Wände säumten. Wirklich warm und gemütlich hier, dachte er.
    »Sie wissen wohl ziemlich gut Bescheid über die Familie…«
    »Das will ich meinen! Immerhin bin ich schon seit neunundzwanzig Jahren ihr Pächter. Als ich damals anfing, hat der alte Conte noch gelebt – der Vater von dem, der vor zehn Jahren gestorben ist, na, das war ja ein rechter Taugenichts, aber sein Vater, also der hatte das, was man Persönlichkeit nennt. Die Leute nannten ihn den Professor. Da legte er großen Wert drauf, er war nämlich Doktor der Philosophie. Sein Adelsprädikat hat ihm nichts bedeutet, der Doktortitel interessierte ihn nicht. Für ihn zählte allein der professore. Morgens, wenn er seinen Spaziergang machte, nahm er einen Kaffee bei mir, aber immer nur einen, und nie sah man ihn ohne Hut, winters trug er einen Trilby, im Sommer einen Panama…«
    Der Maresciallo sagte lange gar nichts. Er wurde oft von Leuten angesprochen, die bei ihm Auskunft suchten, dann aber ganz zufrieden waren, wenn sie selbst etwas erzählen konnten. Die meisten Menschen reden ohnehin lieber, als daß sie zuhören. Der Maresciallo nahm ihre Fragen entgegen und wartete dann in Ruhe ab, so wie jetzt: Er hatte die dunkle Brille weggesteckt, hielt die Mütze mit der goldenen Lohe über dem Schild auf den Knien und ließ den Blick aufs Geratewohl über die Wände schweifen, an denen eine Auswahl der Entwürfe für die Fassade der Brunelleschi-Kirche draußen auf der Piazza hing. Von seinem scheinbaren Interesse verleitet, begann Giorgio abzuschweifen und erzählte von der Kampagne, mit

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