Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
Sinnen.«
Kratz legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß. Wir sind uns zuletzt schon einmal nachts begegnet.« Dann stockte er plötzlich. Nachdenklich blickte er Gustav ins Gesicht. Dann sagte er: »Jetzt erinnere ich mich auch wieder. Gustav Brenner. Natürlich. Aus Zerkall?«
Gustav zuckte zusammen. »Kennen wir uns?«
Der Alte lächelte. »Du warst damals noch zu klein. Und es waren schwere Zeiten. Wir waren Nachbarn.«
»Wieso? Ich dachte, Sie stammen von hier, aus Nideggen?«
»So ist es. Und wie gesagt, wir waren Nachbarn. Du wurdest zu deinen Großeltern nach Zerkall gebracht, als es schwierig wurde.«
»Was soll das heißen?«, fragte Gustav.
»Entschuldigung«, sagte Jakob Kratz. »Ich kann dir nicht mehr erzählen. Es wäre nicht gut – im Moment.«
»Quatsch!«, rief Gustav aus. »Reden Sie nicht in Rätseln!«
Kratz schüttelte den Kopf. »Ich habe gelernt, dass manche Dinge wohlbedacht ausgesprochen werden müssen. Ich habe schon zu viel gesagt. Es tut mir leid.«
Der Alte wandte sich ab. Als er ein paar Schritte gemacht hatte, drehte er sich noch einmal zu Gustav um. »Du solltest zurückgehen. Es ist kalt, und du bist nicht richtig angezogen.« Dann ging er weiter und war bald im Dunkel verschwunden.
Gustav spürte, dass es besser war, Kratz nicht zu folgen, obwohl es ihn danach verlangte, mehr von dem Alten zu erfahren. Doch Kratz hatte recht: Es war kalt, und er fror. Gustav atmete tief durch und machte sich auf den Weg zurück zur Seniorenresidenz. Obwohl er ahnte, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde.
22. Kapitel
Kommissar Bruno Gerster hielt seine Dienstwaffe fest umklammert. Seine Augen waren weit geöffnet, er schien an die Decke zu starren. So, wie er auf dem Boden lag, war das kleine Einschussloch in seiner Brust kaum zu erkennen. Die große Blutlache, die sich unter ihm gebildet hatte, war dem Betrachter erst erklärlich, wenn man die faustgroße Austrittswunde in seinem Rücken gesehen hatte.
Willi Hurtz schüttelte bekümmert den Kopf. »Nee, Frau Bertold«, sagte er. »Wir hatten ja schon Kummer genug hier in Nideggen. Aber ein toter Polizist, dat is mir zu viel!«
Rita Bertold wies auf Thomas Kellermann, der wenige Meter von der Leiche entfernt ebenfalls auf dem Boden lag. »Ganz zu schweigen von einem toten Stadtrat.«
Willi Hurtz winkte ab. »Da sagen Sie was. Ich bin froh, dass ich nur ein einfacher Dorfpolizist bin. Schön, dass Sie so schnell kommen konnten. Die paar Stunden hier mit der Spurensicherung und der Kripo haben mir gereicht, jetzt übernehmen Sie doch hier, oder?«
Rita nickte. »Sonst wäre ich nicht hier. Ein toter Polizist, ein toter Stadtrat, dazu noch der Mord letzten Sonntag, das ist entschieden zu viel für einen kleinen Kurort wie Nideggen. Meine Soko übernimmt hier.«
Hurtz grinste freudlos. »Weiß nicht, ob der Leiter der Ermittlungen sich da freut.«
Rita sah zum Eingang und entgegnete: »Wenn man vom Teufel spricht.«
Paul trat ins Haus und setzte den Satz fort: »Dann hat man den Schwanz meist schon in der Hand!«
Er gab Rita einen flüchtigen Kuss, reichte Willi Hurtz die Hand und betrachtete die beiden Leichen. »Was für eine verdammte Scheiße«, sagte er.
»Du kommst spät«, meinte Rita.
»Ich musste noch eine Amerikanerin loswerden, die zum Verrecken gern mitgekommen wäre.«
Paul trat näher an den toten Bruno Gerster heran. »Verdammt schade. Schien mir ein netter Kerl zu sein. Ein toter Kollege war das Letzte, was ich hier sehen wollte.«
»Was glaubst du, hat er hier gewollt?«
»Weiß nicht. Ich hatte von ihm den Mord an dem alten Wilhelm Floto übernommen, er war eigentlich raus. Er hatte mir angeboten, mich weiter zu unterstützen, aber ich wusste nicht, dass er den Kellermann noch mal sprechen wollte.«
Rita zog die Augenbrauen hoch. »Was heißt das? Setz mich mal ins Bild.«
»Gerster hatte Kellermann befragt, weil der ermordete Floto ihn kurz vor seinem Tod angerufen hatte. Ohne Ergebnis. Auch ich habe gestern noch mit Kellermann gesprochen, habe ihn etwas unter Druck gesetzt. Er hatte ein Alibi für den Sonntagabend. Ich wusste nicht, dass Gerster den Kellermann zu Hause besuchen wollte.«
»Wir prüfen gerade die letzten Protokolle und die Notizen von Gerster«, sagte Ritas rechte Hand, Kriminalhauptmeister Bernhard Schmitz. »Bis jetzt kein Hinweis, was er hier wollte. Aber wir haben auch gerade erst angefangen.«
»Okay«, meinte Rita. »Was sind die ersten Vermutungen
Weitere Kostenlose Bücher