ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
Anblick.
„Du fragst dich bestimmt, was mit ihm nicht stimmt?“ Hörte ich Emils Stimme in meinem Ohr. Ich versuchte zu Radu zu kommen, doch Emil griff in mein Haar, packte es fest und riss mich zurück. Ich biss die Zähne zusammen, denn ich wollte ihm nicht den Gefallen tun vor Schmerzen aufzuschreien. „Er hat gewissermaßen eine Dosis eurer liebsten Medizin bekommen.“ Er trällerte seine Worte wie eine Melodie. Wie die Pointe eines Witzes. „Ein hochdosiertes Gift, nach europäischem Rezept hergestellt. Eurer gelobten Medikation nicht ganz unähnlich.“ Er drehte mein Gesicht zu sich. „Es ist so modifiziert, dass ihm die Immunisierung nichts nützen wird. Es ist tödlich und es hinterlässt keine Spuren im Körper. Er gehört zu unseren ersten Testpersonen.“
Er ließ meinen Kopf los und stand auf. Sofort sah ich wieder zu Radu, der sich unter extremen Schmerzen krümmte. Die Krämpfe schüttelten seinen Körper und immer wieder bäumte sich sein Burstkorb auf, als würde er gleich ersticken.
„Radu.“ Rief ich mit kraftloser Stimme. Emil kniete sich wieder neben mich und schirmte meinen Blick auf Radu mit einem Tablet ab.
„Sieh her.“ Sagte er, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „Das warst du. Du hast das getan.“ Auf dem Tablet lief ein Video ohne Ton. Darauf war meine Heimatstadt zu sehen. Ich erkannte sie auf den ersten Blick. Sie stand in Flammen und schwarzer Rauch hatte sich über das Zentrum gelegt. Eine Explosion jagte die nächste. Meine Stadt… die weiße Stadt… schwarz von der Arsche, die sie bedeckte. Fassungslosigkeit begann Besitz von mir zu ergreifen und Tränen bahnten sich ihren Weg meine Wangen hinunter. Ich wollte es nicht glauben. Ich wusste nicht, ob diese Bilder echt waren. Vielleicht nicht. Konnten sie so schnell gewesen sein? Es spielte keine Rolle. Wenn sie meine Stadt nicht jetzt bombardierten, dann würden sie es bald genug tun. Die Regierung hatte nicht kapituliert oder gar nicht erst die Chance dazu bekommen. Ich wusste es. Das waren von Anfang an nur Lügen.
„Es ist Zeit für dich die Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen den Bürgern von Europa sagen können, dass wir die Person, die dieses Leid verursacht hat, zur Verantwortung gezogen haben. Wir haben getan, was wir tun mussten, aber du alleine hast Europa seines einzigen Schutzes beraubt… ohne nur einmal zu hinterfragen, ob die Menschen das überhaupt gutheißen würden. Du hast diesen Schutz eingetauscht gegen deine eigenen, egoistischen Wünsche. Um deine Freunde zu retten.“ Er machte eine kurze Pause und schüttelte langsam den Kopf. „Na, das hat dir aber viel gebracht.“ Sagte er voller Ironie. Jedes Wort, eine verbale Folter. Schlimmer als ein Schuss in die Magengrube. Obwohl ich es nicht hören wollte, konnte ich mich doch der Wahrheit dieser Worte nicht entziehen. Ich hasste es, wie viel Genuss er für sich daraus schlug, aber ich konnte es nicht leugnen. Ich hatte alles geopfert und doch versagt. Versagt .
Er legte das Tablet beiseite und drückte mich zu Boden. „Dein Leben war sowieso eine einzige Tortur, nicht wahr?“ Fragte er mich hämisch. Er zückte ein Injektionsgerät aus seiner Tasche und legte es an meinen Hals.
„Nein.“ Flüsterte ich. Dieses ‚Nein‘ galt einfach allem. Alles war einfach falsch. Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte sich das alles so entwickeln? Ich hatte nie wirklich die Kontrolle über irgendetwas gehabt und doch war nun alles zerstört. „Nein.“ Sagte ich noch einmal, während er die Injektion in meinen Körper jagte. Ich zuckte unweigerlich zusammen.
„Keine Sorge. Du wirst noch eine Weile klar sein, bevor es richtig anfängt zu wirken. Ich will, dass du mitbekommst, wie ich dir auch noch den kläglichen Rest deines Lebens wegnehme. Sogar deine Würde.“
Er fing an mir die schusssichere Weste auszuziehen. Dafür löste er sogar meine Fesseln. „Aber denk nicht, ich tue das deinetwegen. Du bist schön, keine Frage, ich stehe nur mehr auf Blondinen. Ich tue das wegen Manyuk. Ich hasse diesen kleinen, miesen Bastard.“ Keuchte er mit ungeduldiger Stimme. „Er denkt, er kann mich erniedrigen? Diese Missgeburt?! Mal sehen was er noch zu sagen hat, wenn er erfährt, dass ich Spaß mit seiner kleinen Freundin hatte.“ Er begann mein Hemd aufzureißen und ich starrte ihn regungslos an Meine Augen weiteten sich in Fassungslosigkeit.
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